Hipp wieder nach Brühl zurückgeschickt
zu werden, wo Günther dann am nächs-
ten Tag zu Beobachtungszwecken den
Gottesdienst besuchte und noch am glei-
chen Abend hierüber Bericht erstattete.
Aber nicht nur das: „Habe der Mutter zu-
liebe kommuniziert. Ich will sie in dem
Glauben lassen, ich sei noch katholisch,
aber ich kann es nicht mehr.“ Offenbar er-
kannte er die örtlichen Machtverhältnisse
instinktiv und setzte auf jene Karte, die
ihm den größten Einfluss und Machtge-
winn versprach. „Bei Hipp habe ich eine
prima Nummer und ich will sie behalten“,
vertraute er nach seinem Besuch bei ihm
dem Tagebuch an.
Nachdem er für den darauffolgenden
Sonntag, den „Jugendbekenntnistag“ der
katholischen Kirche, ausdrücklich einge-
laden worden war, hatte er nichts Eiligeres
zu tun, als diese Einladung dem Streifen-
dienstführer zu präsentieren und sich zur
erneuten Beobachtung und Denunziation
verpflichten zu lassen. „Um 17 Uhr war
ich in der Andacht mit Predigt zum Ju-
gendbekenntnistag. Habe danach einen
Bericht hierüber zu Hipp gebracht“, heißt
es knapp im Tagebuch. Schon in der
Woche danach sah man Günther dann
mehrfach im aktiven Streifendienstein-
satz, und am Sonntag nach seiner neuer-
lichen V-Mann-Tätigkeit konnte er be-
reits berichten, dass er die Gefolgschaft
des Brühler HJ-Streifendiensts überneh-
men solle, eine Aufgabe, die ihm nach
Lage der Dinge nur Hipp angetragen ha-
ben kann. Und Günther war sich sofort
sicher, dass er diese Aufgabe übernehmen
werde, selbst um den Preis, dass er dann
natürlich nicht Jungstammführer werden
könne. Als Leiter des Streifendienstes,
das hatten ihm ja kurz zuvor die Kompe-
tenzstreitigkeiten zwischen Bannführer
und Hipp deutlich vor Augen geführt,
verfügte er über weitaus mehr Einfluss
und Macht – und das war es, worauf es
ihm letztendlich ankam.
Eine beobachtbare Veränderung in
Günthers weltanschaulicher Ausrichtung
seit seinem Aufenthalt in Germeter be-
traf auch das Verhältnis von Mann und
8. Mai berichtete, am folgenden Sonntag
sei in der Brühler Kirche ein „Jugendtag“
anberaumt, weil ja sämtliche Jungvolk-
und HJ-Führer zu einer Tagung in Frechen
beordert seien und daher keine Dienste
stattfänden, wurde er umgehend aktiv:
„Während Mutter im Kino war, bin ich zu
Hipp gegangen und habe mir hier den
Befehl geholt, am Sonntag der Messe bei-
zuwohnen und hierüber einen Bericht zu
machen.“ Hierfür verzichtete Günther
gern auf die Teilnahme an einer Führer
tagung in Frechen, geriet damit aber offen-
bar in einen Konflikt zwischen Bannfüh-
rung und Sicherheitsdienst. Die Anwei-
sung und damit verknüpfte Freistellung
durch Hipp wurde tags darauf von Stand-
ortführer Bechem mit der Begründung
aufgehoben, nur der Bannführer sei zu
solchen Beurlaubungen befugt. Also
machte sich Günther am 9. Mai notge-
drungen mit auf den Weg nach Frechen,
um, kaum angekommen, vom dort eben-
falls anwesenden Streifendienstführer
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Günther Roos,
Mai / Juni 1942
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
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