Notabitur und Reifevermerk
Das „Notabitur“, das es auch schon während des Ersten Weltkriegs gegeben hatte, war die volks-
tümliche Bezeichnung für die Erteilung der Hochschulreife an Schüler vor Ablauf der regulären
Schulzeit wegen ihrer Einberufung zu Arbeits- und Wehrdienst. Es wurde am 8. September 1939,
kurz nach dem deutschen Angriff auf Polen, eingeführt. Ab 1940 galten die Regelungen zum
Notabitur auch für die Oberschülerinnen.
Während das Notabitur tatsächlich noch auf der Grundlage von – wenn zumeist auch nur rudimen-
tären und oft nur mündlichen – Prüfungen verliehen wurde, verzichtete man ab 1941 bei Schülern,
deren Einberufung mehr als ein halbes Jahr vor dem Abiturtermin erfolgte, auf jegliche Abschluss
prüfungen. Die zum Reichsarbeitsdienst oder zur Wehrmacht einberufenen Schülerinnen und
Schüler erhielten dann lediglich einen „Reifevermerk“, der die Erlaubnis für ein universitäres
Vorsemester beinhaltete, um nach Ableistung des Dienstes die für ein Studium notwendigen
Kenntnisse nachholen zu können. Ein Jahr später wurde diese Regelung dann sogar auf 17-jährige
Schüler der 7. Oberschulklasse ausgedehnt und gegen Kriegsende zugunsten der Einberufung
weit Jüngerer noch großzügiger gehandhabt.
Nach 1945 wurden Notabitur und Reifevermerke oft nicht anerkannt und sämtliche nach dem
1. Januar 1943 erteilten Reifevermerke für ungültig erklärt. Die hiervon betroffenen Schüler mussten
das reguläre Abitur dann – so sie dazu überhaupt in der Lage waren und oft nach langer Kriegs-
gefangenschaft – in „Sonderlehrgängen“ nachholen. Jenen, die das nicht wollten oder konnten,
blieb ein Studium verwehrt.
205
205 /
Das „Abgangszeugnis mit Reifever-
merk“ für Günther Roos, Juli 1942.
Die eigentliche Zuerteilung der Reife
erfolgte dann zum Schuljahresende
auf der Rückseite.
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
202