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bedingt, dass der Reichsarbeitsdienst,

den er vor dem Eintritt in die Wehrmacht

noch zu absolvieren hatte, unmittelbar

bevorstand. Am 8. Juni machte sich Gün-

ther in dieser Mission auf den Weg zum

RAD-Meldeamt in Köln, wo ihm eröffnet

wurde, dass er zum 1. Juli zum Reichsar-

beitsdienst einberufen würde. „Ich bin

fertig. In einem Monat bin ich weg und

beim Arbeitsdienst. Es liegt wie ein Alb

auf mir. […] Solche Stimmung habe ich

noch nie gehabt.“ Er brauche dringende

„Abwechslung vor dem Gespenst RAD“,

notierte er am folgenden Tag und fügte

im Sinne seines neuen Frauenbildes hin-

zu: „Habe abends Ruth gesucht. Ich habe

Verlangen nach ihr. Sie soll mich zer-

streuen.“

Die Hitlerjugend rückte angesichts der

neuen Umstände nun immer stärker in

den Hintergrund. „Dienst mache ich nicht

mehr. Die letzten Wochen bis zum RAD

muss man ausnutzen“, äußerte Günther in

dieser Hinsicht am 14. Juni, und obwohl er

drei Tage später erfuhr, dass er den Jungs-

tamm übernehmen sollte, notierte er am

Abend des gleichen Tages: „Augenblick-

lich überlege ich mir, ob ich mich nicht

als aktiver Offizier verpflichten soll. Gro-

ßes will ich werden. So kann ich es errei-

chen.“ Das ausgeprägte Machtstreben

also blieb, aber die Orientierung hatte

sich deutlich verändert. Außerdem stand

dem vom deutschen „Endsieg“ vollkom-

men überzeugten Günther klar vor Au-

gen, dass es nach gewonnenem Krieg für

ihn unendlich viele Möglichkeiten geben

würde, seine Ambitionen zu verfolgen

und entsprechend hohe Positionen zu be-

kleiden. In welchem Bereich, war für ihn

in der konkreten Kriegssituation aber zu-

nächst zweitrangig.

Er konzentrierte sich nun völlig auf

die vor ihm liegende neue Aufgabe. Als er

am 21. Juni zu einer Besprechung des HJ-

Banns Köln-Land nach Köln fahren soll-

te, kam er dieser Aufforderung ganz ein-

fach nicht nach: „Konnte mich bremsen.

War im Schwimmbad. Bin jetzt schon

massig braun“, lautete sein entsprechen-

der Tagebucheintrag. Es mag auf den ers-

der Ostfront an. Noch beunruhigender

dürfte in Günthers Ohren das Urteil ge-

klungen haben, das sein Bruder mit

deutlich sarkastischem Unterton über

die diesbezüglichen Äußerungen der NS-

Propaganda und von Hitler selbst abgab:

„Und das alles, wo doch der Führer in

seiner Rede im Oktober den Feldzug

schon entschieden hatte und den Zeitun-

gen nach mit Charkow und dem Donez-

becken 60 Prozent der russischen Rüs-

tungsindustrie in unserer Hand waren.

Das scheint mir ein Versehen gewesen zu

sein.“ Gustavs Brief ließ keinen Raum für

Illusionen: „Wir sind ja nicht mehr in der

Lage, tolle Angriffe zu machen, und heil-

froh, wenn uns der Russe nicht angreift.“

Günther Roos kommentierte diese

Briefe seines Bruders weder im Tagebuch

noch später, sodass offenbleiben muss,

welche Wirkung sie auf ihn konkret aus-

übten. Auffällig ist jedenfalls, dass er wei-

terhin eindeutig auf die Karte der NS-

Propaganda setzte. Seine oben zitierten

Einträge vom 22. Juni und 1. Juli sind

hierfür klare Belege. War er durch per-

manente Indoktrination bereits derart im

Gedankengebäude aus Ideologie und

Propaganda gefangen, dass er mit solchen

euphorischen Äußerungen die skeptisch-

realistische Sicht von Gustav, der ja ganz

vorn in das Geschehen involviert war,

ignorierte? Jedenfalls scheint Günther

aus dessen ungeschönten Berichten den

Schluss gezogen zu haben, dass es jetzt

erst recht seine Aufgabe sei, bei der Lö-

sung der angesprochenen Probleme in

vorderster Linie – sprich an der Front –

zu helfen. Der eigene Kriegseinsatz wur-

de für ihn daher nun – wie sein Eintrag

zum Geburtstag am 4. Juni zeigt – zum

wichtigsten Orientierungspunkt, hinter

den die Funktionen in der Hitlerjugend

und der damit verknüpfte Machtzuwachs

erstaunlich schnell in den Hintergrund

traten, ohne natürlich gänzlich aus sei-

nem Kopf zu verschwinden.

Die Umorientierung und damit ver-

bundene Loslösung von der zuvor so in-

tensiven Tätigkeit in der Hitlerjugend

wurde in Teilen sicherlich auch dadurch

1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“

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