schlimmer empfand er aber die äußerst
strenge Reglementierung des gesamten
Tagesablaufs, die sich in täglichen eng ge-
takteten Dienstplänen niederschlug. Sol-
che Pläne kannte Günther zwar bereits
von diversen Wochenendschulungen und
auch aus Elsenborn, hier in Germeter
wurden sie jedoch von den Ausbildern –
nach späterer Angabe von Günther Roos
sämtlich fronterfahrene und hochdeko-
rierte Angehörige der Waffen-SS – in al-
ler Konsequenz und Härte durchgesetzt.
„Wir wurden gnadenlos gedrillt und mas-
siv weltanschaulich ausgerichtet, beson-
ders antiklerikal“, erinnerte er sich 1989,
als er die entsprechenden Passagen seines
Tagebuchs transkribierte und kommen-
tierte. Nicht ohne Grund ist aus diesen
drei Wochen im ansonsten sehr reichhal-
tigen Nachlass nicht ein einziges Foto
überliefert. Tag für Tag notierte Günther
hingegen die Dienstpläne in sein Tage-
buch, von denen hier beispielhaft jener
vom 1. April 1942 wiedergegeben werden
soll:
6.30 Wecken, Waschen, Reinigen
7.30 Frühstück
8.00 Flaggenparade
8.10–9.10 Unterricht (Kartenkunde)
9.15 –12.00 Geländedienst, Kartenlesen
und Gebrauch im Gelände,
Zielansprache Tarnen
12.15 Mittagessen
13.45 Befehlsausgabe
14.00–15.30 Unterricht (Gelände-
beurteilung)
15.45 –18.00 Geländedienst
18.15 Abendessen
19.00– 20.30 Arbeitsstunde
22.00 Zapfenstreich
Schon nach zwei Tagen beklagte Günther
große „Wut“ und „Abgestumpftheit“. So
hatte er sich, der das ungezwungene Füh-
rerleben auf dem Birkhof ebenso liebte
wie die damit verbundene Machtaus-
übung, den so oft herbeigesehnten Mili-
tärdienst nicht vorgestellt. Einen Tag spä-
ter hieß es: „Noch 18 Tage von 21 muss ich
noch mitmachen! Ich darf nicht daran
denken, sonst könnte es mir übel werden.“
Es war bezeichnenderweise nicht der mi-
litärische Drill, der ihn störte, sondern
die Beschneidung seiner Individualität:
„Hier ist es ja nicht übel, nein! […] Aber
dass man keine Minute Privatmann ist
und immer tun muss, was andere einem
sagen, das hasse ich noch schlimmer als
die Pest. Zwang ist für mich unerträglich.
Jetzt hätte ich Ferien und nun sitze ich
hier. Wie das werden soll, wenn ich zum
Militär komme, das ist mir schleierhaft.
Aber es wird mir noch verdammt hart
werden.“
Das blieb der Tenor von Günthers Ta-
gebucheinträgen während der gesamten
Zeit im Lager Germeter. „Herrgott! Freue
ich mich wieder, wenn ich nach Brühl
kann zur Mutter und zu all den Bequem-
lichkeiten komme“, hieß es etwa am
13. April. „Es ist doch verdammt schwerer,
als ich dachte. Was soll das erst geben,
wenn ich zum Kommiss komme?“ Und ei-
nen Tag später: „Noch vier Tage werden
bis dahin vergehen und dann bin ich wie-
der frei, frei, frei! Dann ist nicht mehr der
Tag streng eingeteilt und ich bin keine
Maschine mehr, die nur das tut, was einer
mir sagt. Ich brauche mir dann nichts
mehr sagen zu lassen.“ Stattdessen, so be-
tonte der machtbewusste 17-Jährige im
gleichen Atemzug, könne er endlich „wie-
der selbst kommandieren und befehlen“.
Aber Günther arrangierte sich ge-
zwungenermaßen mit dem harten und
als so unfrei empfundenen Lagerleben,
was nicht zuletzt durch seine Aufstiegs
ambitionen und die dafür verfolgten
Ziele erleichtert wurde: „Aber ich muss
durchhalten und den Geländesportwart
bekommen und zwar unbedingt. Wir
werden das Kind schon schaukeln.“ Als
das Lager dann mit einem „Kamerad-
schaftsabend“ am 17. April zu Ende ging,
fiel sein Fazit im Vergleich zu seinen zu-
vor geäußerten Klagen dann auch recht
versöhnlich aus – wohl auch deshalb, weil
er entgegen seiner Befürchtungen die
Prüfung zum HJ-„Geländesportwart“
doch noch bestanden hatte: „Haben viel
gelacht. Wenn man es jetzt überdenkt,
war es doch ganz nett. Aber trotzdem
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
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1942