lungsformen noch intensiviert.
Hinzu kamen gezielte Maßnahmen
der Lagerleitung, zum Beispiel beim The-
ma Essen: Günther Roos notierte im Ta-
gebuch stets auch genau, was im Lager
morgens, mittags und abends zu den
Mahlzeiten auf den Tisch kam. Dabei
lässt sich eine deutliche Verschlechterung
des Lageressens in den Tagen unmittelbar
nach Ostern feststellen. Unter dem 7. Ap-
ril heißt es: „Morgens: Erbsensuppe, mit-
tags: Weißkohlsuppe, abends: undefinier-
bare Suppe“. Diese für die körperlich
stark belasteten und daher stets hungri-
gen Jugendlichen sehr schmerzhafte Ver-
knappung und Verschlechterung der Ra-
tionen wurde, so erinnerte er sich später
sehr genau, seitens der SS-Lagerleitung
dem örtlichen Pfarrer angelastet, der dem
Lieferanten vor Ort angeblich verboten
habe, das Lager weiterhin mit Lebensmit-
teln zu versorgen. „Hierdurch wuchs na-
türlich unsere Wut auf den Pfaffen“, was
die Wirkung des im Reichsausbildungs
lager verfolgten antiklerikalen Kurses er-
heblich verstärkt haben dürfte.
Intermezzo 2
Kaum aus dem Reichsausbildungslager
zurückgekehrt, wurden Günther Roos in
Brühl noch am gleichen Tag neue Perspek-
tiven eröffnet: „Zu Hause habe ich mal zu-
erst gegessen und erzählt. Dann war ich
am HJ-Heim. Kam gerade richtig. Es war
Aufnahme der 10-Jährigen. Bechem sagte
mir, dass ich eine neue Aufgabe erhielte.
Welche wohl?“ Und als ihm der HJ-Stand-
ortführer am nächsten Tag eröffnete, dass
er Günther zu seinem Adjudanten zu be-
rufen gedachte, war dessen Jubel groß: „So,
jetzt habe ich das, was ich haben will,
nämlich die Macht. Macht will ich haben!
Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
Sein ausgeprägtes Machtstreben hatte ihn
eine weitere Stufe höher klettern lassen,
die ihm jedoch noch längst nicht ausreich-
te. Er wollte auch offiziell zum Jungs-
tammführer berufen werden und schreck-
te auf diesem Weg erneut nicht vor skru-
pelloser Verdrängung und Denunziation
zurück. „Jeder der mich daran hindert,
muss unauffällig verschwinden“, hieß es
am gleichen Tag im Tagebuch. „Fähnlein-
führer F., der mir zum Jungstammführer
im Wege stand, habe ich heute erledigt. Er
hatte auf einem Befehl zwei Buchstaben
vergessen und zwar das i. V. Das genügte.“
Die Tagebucheinträge der nächsten
Tage und Wochen zeigen Günther Roos in
einem wahren Machtrausch. Am 20. Ap-
ril hielt er fest: „Führers Geburtstag! Gott,
beschütze den Führer! Und ich verspreche
ihm, jederzeit für ihn einzutreten und für
seine Sache zu kämpfen, wenn nötig bru-
tal. Mag kommen, was will. Ehe ich falle,
fallen 100 andere! Morgens war ich in der
Schule. Nachmittags habe ich mir die
Haare schneiden lassen. War dann bei Be-
chem, habe nochmals mit ihm verhandelt.
Es ist jetzt alles klar. Ich habe sie jetzt, die
Macht. Meine Hand liegt jetzt über der
gesamten HJ Brühls. Jetzt wehe meinen
Feinden und der schwarzer Pest! Sie sol-
len den Mann im Hintergrund noch ken-
nen und fürchten lernen!“
Zwar blieb es in den folgenden Tagen
zunächst weiterhin offen, ob er nun Adju-
tant des Standortführers oder Jung
stammführer werden würde, doch das
war Günther schlussendlich gleichgültig.
„Das ist egal. Ich muss nur Macht haben!“,
bemerkte er hierzu am 29. April. Es war
offenbar der Bannführer persönlich, der
Günther das Amt des Jungstammführers
verwehren wollte: „Weshalb, weiß ich
nicht. Ich soll eine besondere Aufgabe be-
kommen. Handelt es sich um den Strei-
fendienst? Na, wenn ich den bekomme,
habe ich ja mein Streben nach Macht
noch besser erfüllt. Ich werde sie bekom-
men, gleich wie.“ Insbesondere glaubte er
offensichtlich, den in Germeter geschür-
ten Hass auf die katholische Kirche und
deren Vertreter, der seitdem fester Be-
standteil von Günthers Denken war (und
für lange Zeit blieb), vor Ort weitaus bes-
ser als HJ-Steifendienstler in Taten um-
setzen zu können: „Die Schwarzen sollen
mich fühlen. Ich habe mit ihnen noch
manches zu begleichen!“
Seiner Ankündigung ließ er schnell
Taten folgen. Als ihm ein Freund am
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
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1942