Table of Contents Table of Contents
Previous Page  194 / 300 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 194 / 300 Next Page
Page Background

knappe Woche später: „Verdammt, ich glaube, ich bin verliebt.“

Das junge Glück konnte sich zunächst aber nicht weiterentfalten,

denn „am Sonntag geht es ab nach Germeter“. Er könne, so um-

riss er seine Stimmungslage, „doll werden“, wenn er daran denke.

„Aber es muss durchgebissen werden.“

Aus diesen Eintragungen darf jedoch nicht etwa

auf eine nachlassende Begeisterung Günthers für

alles Militärische geschlossen werden. Im Gegenteil

war er, als am 16. März erfuhr, dass sein Bruder Gustav

militärische Auszeichnungen erhalten hatte, mehr als

begeistert: „Nachmittags kam ein Brief an aus Russ-

land, dass Gustav zum Gefreiten befördert ist. Außer-

dem ist ihm das EK II [Eisernes Kreuz zweiter Klasse]

und das Infanterie-Sturmabzeichen in Silber verlie-

hen worden. Ich bin bald geplatzt vor Freude. Der

Gustav!!! Ich bin richtig stolz auf ihn.“ Dem gab Gün-

ther am nächsten Tag auch dadurch Ausdruck, dass

er ihn auf außergewöhnlichem Weg beglückwünsch-

te. „Ich war noch immer stolz auf die Auszeichnun-

gen meines Bruders und lief mit geschwellter Brust

umher, als hätte ich die Orden erhalten“, erinnerte

er sich später noch genau an seine damalige Stim-

mungslage. Er sei dann zur Post gegangen und habe ihm per

Telegramm zu Beförderung und Ordensverleihungen gratuliert.

Für den alten Freund Kurt hingegen blieb angesichts solcher

Ereignisse und der zahlreichen anderen Aktivitäten nun kaum

mehr Zeit. „Kurt ist auch hier. War kurz bei ihm“, lautete am

23. März der einzige den Freund betreffende Tagebucheintrag

für die gesamten Osterferien, die Günther in den Jahren zuvor

fast Tag für Tag mit seinem Spielkameraden verbracht hatte. Die

Kindheit war nun offenbar endgültig vorbei.

Reichsausbildungslager Germeter

„Heute beginnt für mich der Kreuzzug“, heißt es unter dem

29. März, an dem das Reichsausbildungslager in Germeter be-

gann. Es muss im Dunkeln bleiben, wie es zu der Einberufung

in ein Wehrertüchtigungslager kam, die nach dem normalen

Rhythmus erst im Herbst des Jahres angestanden hätte. Zu ver-

muten ist, dass entweder die Brühler HJ-Standortführung oder –

wohl wahrscheinlicher – Streifendienstführer und SD-Mann

Hipp die schnelle zweite Ausbildung lanciert hatte. Offenbar

wollte man den willigen und aus NS-Sicht besonders fähigen

Günther fördern und im Reichsausbildungslager möglichst

rasch für Führungsaufgaben ausbilden lassen. Er selbst hatte

durch ständige Kontaktpflege und willfährige Dienste als De-

nunziant in diese Richtung ja auch reichlich Vorarbeit geleistet.

Allerdings hatte er damit nicht in erster Linie eine harte Wehrer-

tüchtigung angestrebt, die dazu noch in den Ferien stattfand.

Der Anfang stand für ihn unter keinem guten Stern, was

schon damit begann, dass er die Reise mit einer Magenverstim-

mung antreten musste, die ihn noch einige Tage plagte. Weitaus

197

197 /

Günthers Glückwunschtelegramm an seinen

Bruder Gustav zu dessen Beförderung und

Auszeichnung, März 1942

1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“

192