Während seines Einsatzes an der Ostfront sammelte Günther
Roos dann erste direkte Erfahrungen mit dem Kriegsgeschehen.
Hier wurde er allerdings, weil er „der letzte vom Stamme Levi“
sei, zu seinem Bedauern nicht ganz vorn eingesetzt, sondern der
„leichten Kolonne“ zugeteilt. Dennoch aber war er
dem Kampfgeschehen oft sehr nah. „Der Russe“, so
schrieb er am 6. September an seine Mutter, sei
augenblicklich „sehr aktiv“: „Wie verrückt greift er
an und will durchbrechen.“ Immer dann, wenn der
Druck zu stark werde, würden sich die deutschen
Einheiten einige Kilometer zurückziehen und das
gleiche Prozedere beginne dann erneut. „Iwan hat
dabei riesige Verluste und erreicht nichts“, kommen
tierte Günther und benutzte zugleich den harmlos
klingenden Begriff des „elastischen Rückzuges“, was
nichts anderes hieß, als dass die Wehrmacht selbst zu
keinerlei offensiven Aktionen mehr in der Lage war.
Das beeindruckte Günther zunächst nicht spürbar.
„Die Stimmung hier ist tadellos“, schrieb er der
Mutter weiter, um danach – ganz im Jargon seines
Vaters – heftige Kritik zu üben: „Jeder in der Heimat
soll sich ein Beispiel an den Jungen hier nehmen. Den
ganzen Tag sind sie im Einsatz, haben oft kaum Zeit
zum Essen und Schlafen, aber meckern und am Sieg
zweifeln tut hier keiner.“ Und erwartungsgemäß
machte er auch in diesem Fall die Vertreter der
katholischen Kirche als Hauptproblem aus: „Die gan
zen Himmelswanzen, die zu Hause meckern, sollte
man täglich mit dem Hinterteil unter die kalte Wasser
leitung halten, damit sie mal zu sich kommen.“
Auch vom Genie des nach wie vor hochverehrten
„Führers“ blieb Günther zutiefst überzeugt. Als er
am 10. September von der Kapitulation Italiens er
fuhr, kommentierte er das zwar mit einem ernüch
terten „das fehlte gerade noch“, sah dadurch aber of
fenbar keinerlei weiter reichenden negativen Konse
quenzen
für
die
deutsche
Stellung
im
Kriegsgeschehen: „Hitler hatte jedoch die Situation wieder
rechtzeitig erfasst und noch einmal alles zum Guten gewendet.“
Obwohl er zu diesem Zeitpunkt „noch nicht klar“ sah, wie sich
die Lage weiterentwickeln würde, ließ er sich von einer Gewiss
heit leiten: „Hauptsache, dass wir siegen, und das müssen und
werden wir auch!“ Diese Einstellung erfuhr für Günther noch
am gleichen Abend durch eine Rede Hitlers zum aktuellen Ge
schehen ihre wichtigste und endgültige Bestätigung: „Die Sie
geszuversicht, die dieser Mann hat, ist großartig. ‚Wir werden
siegen‘, sprach aus jedem seiner Worte. Ich selbst aber bin stolz
darauf, ein Kleines zu diesem Siege beitragen zu helfen, und
Gott dankbar, in dieser großen Zeit leben zu dürfen.“
Restlos begeistert und entsprechend zuversichtlich zeigte sich
Günther dann am 14. September, als er von der Befreiung Musso
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„Kleiner Wehrmachtsfahrschein“
für die Fahrt von Bremen nach
Brjansk, 26. August 1943
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Schreiben des Batteriechefs von
Günther Roos, wonach dieser
an einem weniger gefährlichen
Frontabschnitt einzusetzen sei,
26. März 1943
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228
1943:„Als Soldat gehöre ich nur noch meinem Führer!“
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1943