Table of Contents Table of Contents
Previous Page  227 / 300 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 227 / 300 Next Page
Page Background

chen Stunden merkt man es. Die alte,

herrliche, ruhige Zeit ist dahin. Unwie­

derbringlich dahin.“ Das galt erst recht,

nachdem er die Schilderungen evakuierter

Kölner über die „drei Schreckensnächte“

gehört hatte. „Feuer und Sprengstoff muss

vom Himmel geregnet haben. Wiederge­

ben kann man die Erzählungen nicht,

aber wenn man in die Gesichter dieser

Menschen sah, wusste man Bescheid.“ So

hatte sich Günther den Kriegsverlauf

nicht vorgestellt. „Genau neun Monate

nach meiner Einberufung. Damals ahnte

ich nicht, was mich noch alles treffen wird.

Und was ist alles geschehen!“, notierte er

im Wartesaal des Kölner Bahnhofs, bevor

er am Abend des 14. Juli wieder nach Cel­

le zurückfuhr, wo ein neuer Lehrgang auf

ihn wartete.

[

Ü

67]

Die schlechten Nachrichten nahmen

kein Ende. „Im Osten ist ja augenblicklich

der Teufel los. Der Russe greift an der ge­

samten Front an“, berichtete Günther am

23. Juli. Trotz „enormer Verluste“ war die

Rote Armee nicht aufzuhalten. „Es scheint,

dass Iwan alles auf eine Karte gesetzt hat.“

Aber die Fronten bröckelten nicht nur in

militärischer, sondern auch in politischer

Hinsicht. „Das einzige Thema, das jetzt

alle bewegt, ist der Regierungswechsel in

Italien“, hieß es vier Tage später. „Ich

glaubte nicht recht zu hören, als in den

Nachrichten gesagt wurde, dass Benito

Mussolini zurückgetreten sei. Die Nach­

richt ist zu ungeheuer.“ Ohne Genaueres

über die Ereignisse zu wissen, zeigte sich

Günther erschüttert, dass gerade jetzt, „in

einer der schwersten Stunden Italiens“, der

Benito Mussolini

Der Gründer und Führer der faschistischen Bewegung in Italien wurde am 29. Juli 1883 in

Predappio geboren. Gerade Volksschullehrer geworden, trat er 1901 in die Sozialistische

Partei ein und schuf sich als Provinzsekretär eine eigene Machtbasis. Nachdem er 1914 den

Eintritt Italiens in den Krieg gefordert hatte, wurde er aus der Partei ausgeschlossen und

wechselte ins nationalistische Lager. Am 23. März 1919 gründete Mussolini zunächst in

Mailand die Bewegung „Fascio di combattimento“ (Kampfbünde), aus der sich der Begriff

„Faschismus“ ableitete, und 1921 dann die faschistische Partei PNF, die bald ins italienische

Parlament gewählt wurde. Während Mussolinis Terrortruppen in Norditalien Gewalt ver­

breiteten, versprach er, die Krise, in der sich Italien seit dem Ende des Ersten Weltkriegs

befand, zu lösen.

Mit dem „Marsch auf Rom“ putschte sich Mussolini am 28. Oktober 1922 gewaltsam an die

Macht und wurde zum Ministerpräsidenten ernannt. Anschließend errichtete er eine Einparteien-

diktatur im zum Polizeistaat gewordenen Italien. Der „Duce“ (Führer), wie Mussolini nunmehr

genannt wurde, faszinierte als begabter Demagoge die Massen mit politischen Verspre-

chungen von neuer imperialer Größe Italiens. Er initiierte staatliche Arbeitsbeschaffungen,

eroberte 1935 Abessinien und verhalf General Franco zum Sieg im Spanischen Bürgerkrieg:

Italiens Oberhoheit im Mittelmeerraum schien greifbar.

Am 10. Juni 1940 trat Italien, das seit 1936 mit Deutschland in der „Achse Berlin-Rom“

vertraglich verbunden war, in den Zweiten Weltkrieg ein. Hitlers Hilfe im Balkan- und Afrika-

feldzug band Mussolini dann noch stärker ans NS-Regime und damit an dessen sich seit

1942/43 abzeichnenden Untergang. Am 25. Juli 1943 wurde ihm vom „Faschistischen Groß-

rat“ das Vertrauen entzogen, kurz darauf wurde er verhaftet und Marschall Pietro Badoglio

als neuer Regierungschef eingesetzt, der dann am 3. September ein Waffenstillstands­

abkommen mit den Alliierten unterzeichnete. Neun Tage darauf befreiten deutsche Fall-

schirmjäger Mussolini, der noch im gleichen Monat in Norditalien die „Repubblica Sociale

Italiana“ ausrief und das Land damit endgültig in einen blutigen Bruder- und Partisanenkrieg

stürzte. Bei dem Versuch, in die Schweiz zu fliehen, wurden er und seine Lebensgefährtin

von italienischen Widerstandkämpfern ergriffen und am 28. April 1945 ohne Gerichtsverfahren

erschossen.

67 Ü Bombenkrieg in Schüler- aufsätzen, Juli 1943

1943:„Als Soldat gehöre ich nur noch meinem Führer!“

225

1943