chen Stunden merkt man es. Die alte,
herrliche, ruhige Zeit ist dahin. Unwie
derbringlich dahin.“ Das galt erst recht,
nachdem er die Schilderungen evakuierter
Kölner über die „drei Schreckensnächte“
gehört hatte. „Feuer und Sprengstoff muss
vom Himmel geregnet haben. Wiederge
ben kann man die Erzählungen nicht,
aber wenn man in die Gesichter dieser
Menschen sah, wusste man Bescheid.“ So
hatte sich Günther den Kriegsverlauf
nicht vorgestellt. „Genau neun Monate
nach meiner Einberufung. Damals ahnte
ich nicht, was mich noch alles treffen wird.
Und was ist alles geschehen!“, notierte er
im Wartesaal des Kölner Bahnhofs, bevor
er am Abend des 14. Juli wieder nach Cel
le zurückfuhr, wo ein neuer Lehrgang auf
ihn wartete.
[
Ü
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Die schlechten Nachrichten nahmen
kein Ende. „Im Osten ist ja augenblicklich
der Teufel los. Der Russe greift an der ge
samten Front an“, berichtete Günther am
23. Juli. Trotz „enormer Verluste“ war die
Rote Armee nicht aufzuhalten. „Es scheint,
dass Iwan alles auf eine Karte gesetzt hat.“
Aber die Fronten bröckelten nicht nur in
militärischer, sondern auch in politischer
Hinsicht. „Das einzige Thema, das jetzt
alle bewegt, ist der Regierungswechsel in
Italien“, hieß es vier Tage später. „Ich
glaubte nicht recht zu hören, als in den
Nachrichten gesagt wurde, dass Benito
Mussolini zurückgetreten sei. Die Nach
richt ist zu ungeheuer.“ Ohne Genaueres
über die Ereignisse zu wissen, zeigte sich
Günther erschüttert, dass gerade jetzt, „in
einer der schwersten Stunden Italiens“, der
Benito Mussolini
Der Gründer und Führer der faschistischen Bewegung in Italien wurde am 29. Juli 1883 in
Predappio geboren. Gerade Volksschullehrer geworden, trat er 1901 in die Sozialistische
Partei ein und schuf sich als Provinzsekretär eine eigene Machtbasis. Nachdem er 1914 den
Eintritt Italiens in den Krieg gefordert hatte, wurde er aus der Partei ausgeschlossen und
wechselte ins nationalistische Lager. Am 23. März 1919 gründete Mussolini zunächst in
Mailand die Bewegung „Fascio di combattimento“ (Kampfbünde), aus der sich der Begriff
„Faschismus“ ableitete, und 1921 dann die faschistische Partei PNF, die bald ins italienische
Parlament gewählt wurde. Während Mussolinis Terrortruppen in Norditalien Gewalt ver
breiteten, versprach er, die Krise, in der sich Italien seit dem Ende des Ersten Weltkriegs
befand, zu lösen.
Mit dem „Marsch auf Rom“ putschte sich Mussolini am 28. Oktober 1922 gewaltsam an die
Macht und wurde zum Ministerpräsidenten ernannt. Anschließend errichtete er eine Einparteien-
diktatur im zum Polizeistaat gewordenen Italien. Der „Duce“ (Führer), wie Mussolini nunmehr
genannt wurde, faszinierte als begabter Demagoge die Massen mit politischen Verspre-
chungen von neuer imperialer Größe Italiens. Er initiierte staatliche Arbeitsbeschaffungen,
eroberte 1935 Abessinien und verhalf General Franco zum Sieg im Spanischen Bürgerkrieg:
Italiens Oberhoheit im Mittelmeerraum schien greifbar.
Am 10. Juni 1940 trat Italien, das seit 1936 mit Deutschland in der „Achse Berlin-Rom“
vertraglich verbunden war, in den Zweiten Weltkrieg ein. Hitlers Hilfe im Balkan- und Afrika-
feldzug band Mussolini dann noch stärker ans NS-Regime und damit an dessen sich seit
1942/43 abzeichnenden Untergang. Am 25. Juli 1943 wurde ihm vom „Faschistischen Groß-
rat“ das Vertrauen entzogen, kurz darauf wurde er verhaftet und Marschall Pietro Badoglio
als neuer Regierungschef eingesetzt, der dann am 3. September ein Waffenstillstands
abkommen mit den Alliierten unterzeichnete. Neun Tage darauf befreiten deutsche Fall-
schirmjäger Mussolini, der noch im gleichen Monat in Norditalien die „Repubblica Sociale
Italiana“ ausrief und das Land damit endgültig in einen blutigen Bruder- und Partisanenkrieg
stürzte. Bei dem Versuch, in die Schweiz zu fliehen, wurden er und seine Lebensgefährtin
von italienischen Widerstandkämpfern ergriffen und am 28. April 1945 ohne Gerichtsverfahren
erschossen.
67 Ü Bombenkrieg in Schüler- aufsätzen, Juli 19431943:„Als Soldat gehöre ich nur noch meinem Führer!“
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1943