mehrgliedrige Wehrertüchtigung des Vorjahres und die ersten
drei Monate bei der Wehrmacht hatten ihn schon zu einem
gleichmütigen „Landser“ werden lassen: „Gott sei Dank bin ich
etwas gefühllos, sodass ich mich ohne viel Lamento wieder in
das Leben eingefunden habe.“
Trotz des Verzichts auf eine Laufbahn als Berufsoffizier blieb
Günther durchaus aufstiegsorientiert und meldete sich zum Jah
resbeginn als „ROB“, als Reserveoffiziersbewerber für nicht ak
tive Soldaten an. „Also auf ins feindliche Leben“, kommentierte
er diesen Schritt, um im nächsten Satz mitzuteilen, dass man
durch einen Überläufer Nachricht über das Schicksal seines
Bruders bekommen habe. Demnach sei er in einem russischen
Lazarett an einer Kopfverletzung gestorben. „Armer Gustav.
Arme, arme Eltern. Welche Opfer bringt ihr für Deutschland“,
lautete Günthers bereits formelhaft erstarrt wirkender Kom
mentar hierzu. Für seinen weiteren Weg war dieser kurze Ein
trag aber bezeichnend: Gehorsamer und engagierter Soldat und
ROB ohne überbordende Erwartungen, zugleich weiterhin über
zeugter und gläubiger Nationalsozialist, der Adolf Hitler zu
tiefst vertraute. Inwieweit eine solche im Kern unerschütterliche
Einstellung direkte Folge der langjährigen Indoktrination und
insbesondere der mehrstufigen Wehrerziehung des Jahres 1942
war, muss zwar letztlich offen bleiben, doch die von der NS-Pro
paganda intendierten Effekte dürften bei Günther voll zum Tra
gen gekommen sein.
Am 31. Januar wurde er überraschend schnell zum ROB-Lehrgang nach Celle abkommandiert: „Also, ich hätte es ge
schafft. Was ich schon immer gewünscht habe und was mein
Ziel war, ist einen Schritt näher gerückt.“ Zwar klag
te er anschließend über den „sturen Rekrutendienst“,
doch blieb er vom „Kommiss“ begeistert. Auch die
dramatische, eine Wende im Kriegsverlauf einlei
tende deutsche Niederlage von Stalingrad Anfang
Februar änderte daran nichts, sondern motivierte
Günther eher, als dass sie ihn geängstigt hätte. Er ge
stand am 8. Februar zwar ein, dass die Vernichtung
der 6. Armee auch für ihn einen „harten Schlag“
darstelle, schlussfolgerte daraus aber, dass das Leben
mit ihm offenbar noch „viel vorhabe“. „Ich muss
schon sagen: Das Leben ist so schön!“, kommentier
te er bereits drei Tage später nach einem „herrlichen
Marsch“ durch Celle. „Ein Gesang und eine Rich
tung und Haltung, die einfach toll ist, da jeder mit
Herz und Seele dabei ist. Dann gehen die Fenster auf
und der Kalk rieselt von den Wänden und das Volk
bleibt stehen, wenn die ROBs kommen.“ – Das erin
nert stark an Günthers Gefühl, als er voller Stolz auf „Führer
und Vaterland“ als Fähnleinführer vor seiner Jungvolkeinheit
durch Brühl marschiert war.
Auch als die Lehrgangsteilnehmer am 15. Februar zu einem
Skikurs in den Harz aufbrachen, empfand Günther das als „toll“,
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Ab dem 31. Januar 1943
Günthers neue Unterkunft:
die Seekt-Kaserne in Celle
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1943:„Als Soldat gehöre ich nur noch meinem Führer!“
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1943