Nach dem in vielerlei Hinsicht bewegten Jahr 1942
verlief Günther Roos’ Leben ab 1943 zunächst in
weitaus ruhigeren Bahnen – soweit ein solcher Begriff
angesichts der sich zuspitzenden Lage auf den immer
zahlreicher werdenden Kriegsschauplätzen über
haupt erlaubt ist. Er richtete sich jedenfalls im unab
änderlichen Soldatenleben ein – und fühlte sich
wohl dabei.
Seine Ende 1942 gereifte Entscheidung, die beruf
liche Zukunft nicht bei der Wehrmacht, sondern in ei
nem Zivilberuf zu sehen, stellte Günther in den ersten
Monaten des neuen Jahres zwar noch einige Male auf
den inneren Prüfstand, hielt letztlich aber an ihr fest.
„Allerdings habe ich es endgültig aufgegeben, aktiv zu
bleiben. Das Ziel ist Architekt“, bekräftigte er seinen
nunmehr eingeschlagenen Weg beispielsweise am
30. Januar und wich trotz mehrfacher Angebote und
Werbeversuche von Vorgesetzten bis zum Kriegsende
nicht mehr von ihm ab. „Ich warte jetzt nur noch auf
den Tag, wo ich entlassen werde und studieren kann.
Studieren, Ideen haben, sie zu Papier bringen und
dann sehen, wie sie aus dem Chaos Form annehmen.
Herrlich. Hoffentlich kann ich bald schaffen.“
Das hieß aber nicht gleichzeitig, dass er nun
plötzlich von allen früheren Ambitionen abgelassen
hätte oder gar auf innere Distanz zum NS-Regime
gegangen wäre. Seine modifizierte Sicht der Dinge
brachte Günther Roos Anfang April auf den Punkt,
als er im Tagebuch notierte: „Habe mir dann meine
alten Tagebücher angesehen. Herrgott, war das eine
Zeit. Interessant war im Jahr 1942 mein Machthunger.
Als ich das RAD-Tagebuch las, war ich erschüttert.
Welches Gottvertrauen hatte ich damals und wie
steht es heute? Keine Stunde habe ich mehr an ihn,
meinen Gott, gedacht. Kam es daher, dass mir die
Zeit fehlte? Ich tat meine Pflicht meinem Vaterlande,
Deutschland. Das ist Gottesdienst. Wenn ich ihm
meine Pflicht tue, ist auch meine Pflicht Gott gegenüber erfüllt.
Als Soldat gehöre ich eben nur noch meinem Führer.“
Sprachrohr der NS-Propaganda
„Sein Führer“, auf den er den Eid geleistet hatte, und „Deutsch
land“, wie es von den NS-Ideologen definiert wurde, waren und
blieben demnach Günthers unangetastete Leitwerte, denen er
alles andere unterordnete und die sein Denken und Handeln
bis zum Ende des Krieges bestimmen sollten.
Deutlich wurde dies bereits, als er nach seinem kurzen „Heimat
urlaub“ zur Jahreswende 1942/43 wieder zur Truppe zurück
gekehrt war. Erst jetzt, so bemerkte er nach den beschaulichen
und bequemen Tagen in der elterlichen Wohnung sarkastisch,
merke man, „wie schön es bei der Wehrmacht“ sei. Aber die
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Günther Roos im Januar 1943 auf dem
Truppenübungsplatz Munsterlager in der
Lüneburger Heide
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Schießübungen auf dem Truppenübungsplatz
Munsterlager. Günther Roos war begeistert
von der Wirkung der neuen Nebelwerfer.
Am 21. Januar 1943 notierte er: „Donnerwetter,
das ist was! Wie eine Weltraumrakete zwitschern die
Dinger mit langem Feuerschwänz und viel Geheule
los. Ich war einfach platt. Das ist eine Waffe!
Ich bin, kurz gesagt, gebügelt.“
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1943:„Als Soldat gehöre ich nur noch meinem Führer!“
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