lich bereit gewesen, „für Führer und Va-
terland mein Leben einzusetzen – man
musste es aber nicht auch noch forcieren“.
Als ihm der Musterungsoffizier dann die
Nebeltruppe mit dem Hinweis auf eine
sich dort eröffnende Offizierslaufbahn
vorgeschlagen hätte, habe er spontan zu-
gesagt, „ohne zu wissen, in was ich da
hineingetreten hatte“. Auch Erkundigun-
gen bei Freunden und Bekannten sowie
bei Gustav ergaben keine verlässlichen
Informationen über Art und Ziel der
Truppe. Die konkreteste Auskunft habe
ein beim Wehrbezirkskommando in
Köln tätiger früherer Lehrer des Brühler
Gymnasiums gegeben, der seiner Mutter
wenig beruhigend mitgeteilt habe, es
handele sich um eine Geheimwaffe. Sie
solle aber stets daran denken, dass ihr
Sohn ja nur seine Pflicht tue. „So war ich
gespannt, wo ich landete, und hatte
gleichzeitig ein leicht mulmiges Gefühl
im Magen.“
[
Ü
60]
Zunächst dominierten jedoch wieder
Schule und Jungvolk Günthers Alltag,
wobei er durch eine Ohrentzündung, die
er sich in Elsenborn zugezogen haben
dürfte, gehandicapt war. Das hinderte
ihn aber weder an Treffen mit ranghohen
HJ-Führern noch am Besuch eines „Ka-
meradschaftabends“ der Brühler Hitler-
jugend, an dem Führer und Führerinnen
aus allen vier lokalen Gliederungen teil-
nahmen. Für diese geselligen Feste des
HJ-Standorts wurden offenbar stets eige-
ne „Bier-Zeitungen“ erstellt, für deren
Inhalte in erster Linie Günther Roos und
Manfred Mammel zuständig zeichneten.
In mehr oder weniger gelungenen Rei-
men wurden in diesen launigen „Zeitun-
gen“ die Charaktereigenschaften von oder
Vorfälle um einzelne der Anwesenden in
bewusst überspitzter Art und Weise zum
Besten gegeben. Bei aller Überzeichnung
und Verzerrung dürften diese Strophen
im Kern viel von dem widergespiegelt
haben, was den Alltag der Heranwach-
senden neben ihrer politischen Orientie-
rung bestimmte. In diesem Punkt dürften
sie sich kaum von Jugendlichen anderer
Zeiten unterschieden haben, dominierten
doch die beiden Themen „Verliebtheit“
und „Alkohol“ die jeweiligen Inhalte der
nicht grundlos als „Bier-Zeitungen“ be-
zeichnete Dokumente:
Zuerst haben wir zwei von besonderer
Art, / sie lieben gemeinsam die Marianne
Q. / Ich stelle sie den Herrschaften vor: /
Willi R. und Theo F., flüstere ich euch ins
Ohr. / Der Letztere ist schon mit ihr ganz
intim / Sie putzt bereits seinen Heimraum
mit Wasser und Vim. / Mein lieber Willi,
jetzt musst du was drehn / sonst ist’s um
deine Marianne geschehen. […]
Ein hartes und auch bitteres Los hat
Fäfü Roos. / Es ist fürwahr sehr schwer zu
entscheiden, / welches von drei Mädel man
kann am besten leiden. / Helmi E., Desi B.
und Waltraud M. / ist die Auswahl, davon
wird man nicht gescheiter. / Doch dass er
auch noch mehr kann als lieben im Leben, /
davon wird er gleich eine Probe geben. / Er
kann vortragen und steppen ganz enorm, /
Allerdings bei 20 Glas Bier ist er erst in
Form.
Bei aller Belustigung und dem Auf
zeigen von individuellen Schwächen, Vor
lieben oder amourösen Verstrickungen
194
60 Ü Broschüre „Die Nebeltruppe“1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
189
1942