abzeichen der NSDAP erhielten nur die ersten
100 000 Mitglieder, den „Blutorden“ gar nur jene,
die am Marsch auf die Münchener Feldherrnhalle
am 9. November 1923 teilgenommen hatten. Die
meisten Jugendlichen dürften die Anwesenheit eines
derartig ausgezeichneten Offiziers als große Wert-
schätzung empfunden haben. „Diese ‚Alten Kämp-
fer‘ waren für uns etwas ganz Besonderes, hatten sie
doch während der Kampfzeit den Glauben an ein
neues Deutschland hochgehalten“, erinnerte sich
Günther Roos noch 1989.
Wie weitgehend die Tagesabläufe jenen bei der
Wehrmacht selbst angepasst waren, ging aus Gün-
thers wohl ernst gemeinter Klage zur Wochenmitte
hervor: „Das Militärleben hängt mir jetzt doch
schon etwas am Hals heraus. Man ist nie sein freier
Mann.“ Aber genau das sollten die Jugendlichen im
Rahmen des Skilehrgangs erfahren. Nun waren die
17- bis 18-Jährigen, die kurz vor dem Abitur und der
darauf folgenden Zeit beim Arbeitsdienst und der
Wehrmacht standen, in einem ersten Schritt auf die
dort auf sie wartenden Rahmenbedingungen vorbe-
reitet, was die spätere Eingewöhnung und damit
auch die Ausbildung erheblich erleichtert haben
dürfte. Außerdem waren zwischenzeitliche Klagen
über eine ungewohnte Behandlung und harte körper-
liche Anstrengungen ja durchaus intendiert und zu-
dem nicht gleichzusetzen mit einer grundsätzlichen
Ablehnung militärisch geprägter Strukturen. Im
Gegenteil: Günther gab seiner Trauer über das Ende der vormi-
litärischen Ausbildung im Tagebuch mehrfachen Ausdruck:
„Leider! Jetzt wurde es gerade schön“, notierte er etwa am Ab-
reisetag.
Intermezzo 1
Zurück in Brühl, wartete schon das nächste Ereignis auf Gün-
ther: Drei Tage nach dem Ende der vormilitärischen Ausbildung
wurde er am 26. Februar in Köln für die Wehrmacht gemustert
und für tauglich befunden. Bei dieser Gelegenheit meldete er
sich zudem zur „Nebeltruppe“, einer damals geheimnisumwit-
terten Waffengattung der Wehrmacht, die ursprünglich zur che-
mischen Kriegsführung aufgestellt worden war, dann aber vor-
wiegend als Raketenartillerie zum Einsatz kam. In jedem Fall
unterschied sich die Nebeltruppe grundlegend von der Infante-
rie, zu der Günther Roos keinesfalls eingezogen werden wollte.
„Einmal musste man zu viel marschieren“, begründete er seine
Entscheidung später, „zum anderen war mir auch die Luft
zu bleihaltig“. Zu dieser Einsicht war er, wie er selbst angab,
nicht nur durch die Erzählungen der Ausbilder im Skilehrgang
gekommen, sondern wohl in erster Linie durch die abschre-
ckenden Erzählungen von Bruder Gustav. Er sei damals sicher-
193
193/
Günther Roos (rechts) kommentierte:
„Als Jungstammführer wurde ich auch hier
als Truppführer eingesetzt. Hier übe ich
mit Josef L., wie man einen anschnauzt.“
194/
Titelseite einer Ausgabe der
Waffenhefte
des Heeres
zum Thema „Nebeltruppe“,
die sich im Besitz von Günther Roos befand
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
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