Auch in den Zeitschriften der Hitlerju-
gend fanden sich immer wieder entspre-
chende Aufrufe, in denen das Idealbild
des „deutschen Jungen“ – in oft ungelen-
ken Versen – beschworen wurde:
Denn unsere Welt – das merke dir: / ist
nicht der Qualm und nicht das Bier. /
Beim Sport, im Lager und auf Fahrt, / da
machen wir unsere Körper hart, / damit –
wenn einst des Führers Ruf ergeht, / jeder
als ganzer, straffer Kerl dasteht.
Bei den Brühler Jugendführern im All-
gemeinen und Günther Roos im Besonde-
ren scheinen solche Appelle offensichtlich
nicht sehr viel Eindruck hinterlassen zu
haben. Bei Letzterem waren Alkohol und
Nikotin zu diesem Zeitpunkt ohnehin
bereits zu selbstverständlich konsumier-
ten Genussartikeln geworden. Als er in
der zweiten Julihälfte 1940 seinen Vater in
Trier besuchte, bereiteten die dort tätigen
OT-Mitarbeiter ihren kriegsbedingten
Abschied vor, da die Einheiten an den
„Atlantikwall“ nach Frankreich verlegt
werden sollten. Anton Roos schrieb, dass
sich in jener Zeit „Fete an Fete“ gereiht
habe: „Ein Klavierspieler sorgte für Unter-
haltung und kräftige Seemanns- und
Kampfzeitlieder brachten Stimmung in
die Bude.“ Mittendrin befand sich der
gerade 16 Jahre alt gewordene Günther,
der in seinem Tagebuch vom allabend
lichen „Saufen“ berichtete: „Wenn es so
weitergeht, bekomme ich noch viel Spaß.“
Und unter dem 24. Juli heißt es: „Abends
bei Schu auf der Moselterrasse großer
Kameradschaftsabend mit den Mädchen
vom Inselkaufhaus. Es war einfach wüst.
Da habe ich was gesoffen! Der Spaß hat
bis 1 Uhr gedauert. Da habe ich was erlebt.
Dieses Knutschen und dann das allgemei-
ne große Kotzen. Es war einfach zum
Schießen!“ Vater Toni schritt nicht etwa
ein, sondern fand am Verhalten seines
Sohnes Gefallen: „Der verdammte Lüm-
mel, dachte ich mir, wo hat er das her?
Aber stille zog ich mich zurück, denn wa-
rum darüber nachdenken? Der Apfel fällt
nicht weit vom Ross.“
Günthers Entwicklung jedenfalls war
im Hinblick auf die „nationalsozialisti-
folgern ist, dass Anspruch und Realität in
diesem Punkt weiterhin weit auseinan-
derklafften. So sah sich etwa der NSDAP-
Kreisleiter des auch Brühl einschließen-
den Landkreises Köln im Rahmen einer
Tagung der dort aktiven Jugendführer im
März 1940 veranlasst, ausdrücklich auf
die „versündigenden Giftstoffe“ Alkohol
und Nikotin hinzuweisen und an die HJ-
und Jungvolkführer zu appellieren, gerade
in Kriegszeiten „derartige Krankheitskei-
me nicht erneut erwachen zu lassen“.
⁷⁵
162 /
Aufruf zum Nikotinverzicht
aus der HJ-Zeitschrift
Niederrheinische Fanfare
,
Februar 1939
162
144
1940: „Es ist bald wie im Märchen. Deutschland wird siegen!“