nung dem Führer des Jungstammes 1/65
Peter Wieland, dem es durch seine Tat-
kraft gelungen war, das Lager aufzu
ziehen. Die Pimpfe können es ihm nicht
schöner danken als dadurch, dass sie ger-
ne und oft an diese schöne Zeit im Som-
merlager des Jungstammes 1/65 zurück-
denken werden.“
Das hier Geschilderte entspricht weit-
gehend dem, was in der historischen For-
schung mit Blick auf von Jugendlichen
selbst renovierte HJ-Unterkünfte als das
nach außen vermittelte, also „propa
gandistisch angestrebte Bild der Organi-
sation als einer ‚aktivistischen Gemein-
schaft‘“
⁶⁹
bezeichnet wurde. Zugleich
aber seien gerade solche durch Eigenini-
tiative entstandenen Orte oft über die ei-
gentlichen Dienstzeiten und offiziellen
Veranstaltungen hinaus zu einem tat-
sächlichen Treffpunkt für die Jugend
lichen geworden, an dem Abenteuerlust
und der Wunsch nach gemeinsamer Frei-
zeitgestaltung im Vordergrund gestanden
hätten.
⁷⁰
Auch auf den Birkhof traf offenbar bei-
des zu, denn das dort errichtete „Standla-
ger“ war geprägt von einer Mischung aus
offiziellem HJ-Dienst und den Freiheiten,
die ein solcher Aufenthaltsort weitab von
jeder Aufsicht durch Erwachsene mit sich
brachte. Das geht sehr anschaulich aus
den Tagebucheintragungen von Günther
Roos hervor, der am Nachmittag des 5.
August 1940 in der elterlichen Wohnung
seine Sachen packte, um anschließend
auf den Birkhof umzuziehen, wo er für
die zweiwöchige Lagerzeit als „Stubenäl-
tester“ fungierte und innerhalb des Füh-
rerkorps Mitverantwortung trug. Das
„Standlager“ schien – wohl insbesondere
aufgrund der kriegsbedingten Ein-
schränkungen – etwas Besonderes zu
sein, sodass sich während der zwei Lager-
wochen zahlreiche hochrangige Gäste auf
dem Birkhof die Klinke in die Hand ga-
ben: Am 6. August besuchte „unerwartet“
der Gebietsführer das Lager, drei Tage
später der Jungbannführer und wieder
einen Tag darauf kam der Jung
stammführer. Am 14. August reisten,
nachdem die
Brühler Zeitung
bereits
berichtet hatte, Mitarbeiter des
West-
deutschen Beobachters
an, am 17. August
schließlich zwei „Gebietsärzte“, wahr-
scheinlich um den großen gesundheit
lichen Nutzen einer solchen Veranstal-
tung zu attestieren.
Über all das gibt Günthers Tagebuch
ebenso Auskunft wie über Einzelheiten
des Lageralltags. Neben dem üblichen
Tagesablauf (Frühsport, Küchendienst,
Sport, Freizeit) waren die Tage demnach
auch von offensichtlich intensiver ideo
logischer Schulungsarbeit geprägt. „Poli
tische Schulung und Arbeitsdienst“ gab
es am 7. August, „Wachexerzieren und
politische Schulung“ tags darauf. Wiede-
rum einen Tag später wurde nach dem
Besuch des Jungbannführers ein
„Heimabend“ abgehalten, am fol-
genden Abend wurden nicht nä-
her definierte „Hetznachrichten
fabriziert“. Am 13. August wurde
ein „Geländespiel“ durchgeführt,
dem sich ein „lustiger Abend“ an-
schloss; am 14. gab es zunächst
„weltanschauliche Schulung“ und
danach „Negermusik“ in der Frei-
zeit, die wiederum in einen „lusti-
gen Abend“ mündete. Am nächs-
ten Tag wurde zunächst „Tisch-
tennis gespielt und gefaulenzt“, bis
man abends als „Beduinen ver-
kleidet und derart maskiert in der
benachbarten Flak-Stellung einen
Tanz“ aufführte. Als überraschen-
den Kontrast zur Ideologiever-
mittlung und Freizeitgestaltung
hielt Günther für den Sonntag
fest, dass das gesamte Lager den
Gottesdienst im benachbarten
Kloster Walberberg besucht habe.
„In dem Jungvolkferienlager ist es sehr
schön. Besonders abends ist es immer
wunderbar und romantisch. Wir leben
von keiner Kultur beleckt“, notierte Gün-
ther Roos am 10. August 1940 in seinem
Tagebuch und erinnerte sich noch Jahr-
zehnte später lebhaft an die Abende im
Lager zurück, die „etwas ganz Besonde-
res“ gewesen seien: „Hier saß man in gro-
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Fähnleinführer Manfred Mammel
während einer Lesepause am
Birkhof, August 1940
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1940: „Es ist bald wie im Märchen. Deutschland wird siegen!“
1940