flikt mit der Kirche kam ich in dem Moment, als ich Mitglied in
der HJ wurde.“ Als Beispiele schilderte er folgende Episoden:
„Einmal ging ich mit meinem Bruder in Uniform zu einem An-
treten über die Mühlenstraße, als uns der Oberpfarrer Fetten
entgegenkam. ‚Grüß Gott‘ oder ‚Heil Hitler‘, das war nun die
Frage. Im letzten Moment entschieden wir uns für das Letztere
und grüßten besonders zackig. Nach zehn Metern schauten wir
uns etwas ängstlich um. Da stand der Oberpfarrer und sah uns
ziemlich verdutzt nach. In einen anderen schweren Konflikt
kam ich bei einer weiteren Gelegenheit. Lag jemand im Sterben,
so ging der Priester in vollem Ornat, begleitet von einem Mess-
diener mit den Sakramenten zur Letzten Ölung durch die
Straßen. Begegneten dem Priester Passanten, so knieten diese
nieder und bekreuzigten sich, Radfahrer stiegen von ihren
Rädern und sogar Autos hielten an. Eines Tages ging ich in HJ-
Uniform zum Antreten, als mir ein Priester auf seinem Gang zu
einem Sterbenden begegnete. Was tun? Hitler-Gruß oder Kni-
en? Schließlich kniete ich doch nieder. Der Einfluss der Kirche
war zu diesem Zeitpunkt doch noch größer!“
Militarismus –
„Soldat zu sein, musste doch etwas
wirklich Erstrebenswertes sein“
Als weiteres Phänomen, das einen wichtigen Einfluss
auf sein kindliches und jugendliches Denken ausge-
übt habe, nannte Günther Roos im Rückblick selbst
den auch in der Brühler Gesellschaft bereits vor 1933
überall zum Ausdruck kommenden Militarismus:
„Einen weiteren großen Einfluss übte auf mich die
damalige Glorifizierung des Soldatentums aus. In
meiner Kindheit war neben dem Struwwelpeter ein
Bildband über den Krieg 1870/71 mein liebstes Bil-
derbuch. Sämtliche Schlachten waren in herrlichen
Bildern beschrieben. Und wie schön sahen die roten
Hosen der Franzosen aus! Mit welch schaudernder
Spannung lauschte ich den Erzählungen von Herrn
Wilmen, in dessen Haus meine Großmutter wohnte!
Er war Veteran von 70/71 und schilderte die Erlebnisse
bei der Schlacht von Säng-Käng-Täng (St. Quentin):
‚Dann kam der Befehl zum Sturm. Seitengewehr auf-
gepflanzt und vorwärts auf den Franzmann und mit
dem Bajonett zugestochen: üne, deux, troi! Abgestri-
chen!‘ Und Herr Wilmen machte dann vor, wie er
nacheinander dreimal Franzosen auf sein Bajonett aufspießte und
anschließend die drei Leichen mit der linken Hand vom Seiten
gewehr abstreifte.“
Noch weitaus präsenter seien natürlich der Erste Weltkrieg
und dessen Auswirkungen gewesen: „Da waren einmal die
Kriegshelden wie Richthofen und der U-Boot-Kommandant
Wedding und auf der anderen Seite die Schlachten in Frankreich
wie Flandern und Verdun. Mit welcher Begeisterung lasen wir
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Herr Wilmen, erzählfreudiger
Veteran des Krieges von 1870/71
94/95/96/
Auszüge aus der Sondernummer
„Volksgemeinschaft – Wehrge
meinschaft“ der Schülerzeitschrift
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, Jahrgang 1935/36
Prägungen
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