Alltäglicher Rassismus und
Antisemitismus
Eine Erziehung „im Sinne des National-
sozialismus“ implizierte stets auch Rassen-
ideologie und in besonderem Maße anti-
semitische Beeinflussung. Dass man sich
auf diesem Feld regimeseitig nicht allein
auf eine entsprechende Indoktrination
durch die Hitlerjugend verlassen wollte,
sondern rassistisch orientiertes Denken
insbesondere durch die Lehrer in den
Schülerköpfen zu installieren gedachte,
zeigte spätestens ein Erlass des preußi-
schen Erziehungsministeriums vom 13. Sep-
tember 1933, den die Abteilung für höhe-
res Schulwesen des Oberpräsidenten der
Rheinprovinz fünf Tage später an die
Schulen weiterleitete. Darin hieß es un-
missverständlich, dass die „Kenntnis der
biologischen Grundtatsachen und ihrer
Anwendung auf Einzelmensch und Ge-
meinschaft“ für eine „Erneuerung unse-
res Volkes unerlässliche Voraussetzung“
seien, weshalb kein Schüler „ohne dieses
Grundwissen ins Leben entlassen werden“
dürfe. Daher ordnete die Schulaufsichts-
behörde an, in den Abschlussklassen
sämtlicher Schulen „unverzüglich die Er-
arbeitung dieser Stoffe in Angriff zu neh-
men, und zwar Vererbungslehre, Rassen-
kunde, Rassenhygiene, Familienkunde
und Bevölkerungspolitik“. Das habe in
erster Linie im Fach Biologie zu gesche-
hen, dessen Umfang daher umgehend auf
mindestens zwei bis drei Wochenstunden
auszudehnen sei. Weil das damit ange-
ordnete „biologische Denken“ darüber hi-
naus aber auch in allen anderen Fächern
Der Boykott am 1. April 1933
Am 1. April 1933 fand die erste zentral geplante und
reichsweit ausgeführte antijüdische Aktion nach der NS-
Machtübernahme statt, in deren Rahmen zum Boykott
jüdischer Geschäfte, Ärzte und Anwälte aufgerufen wurde.
Organisiert wurde die Kampagne vom „Zentral-Komitee
zur Abwehr der jüdischen Gräuel- und Boykotthetze“
unter Leitung des fanatischen Antisemiten und hohen
NS-Funktionärs Julius Streicher, der auch für das Hetz
blatt
Der Stürmer
verantwortlich zeichnete.
Am Tag des Boykotts stellten sich SA, Hitlerjugend und Stahlhelm vor Geschäften auf und hinderten
Kunden unter Drohungen am Einkauf. Polizei und Justiz sahen dem Treiben tatenlos zu und auch
die deutsche Bevölkerung protestierte kaum gegen diese Diskriminierungen. In manchen Städten und
auf dem Land kam es zu Plünderungen und Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung.
Das Ausland reagierte entsetzt auf die Vorfälle und drohte seinerseits mit dem Boykott deutscher Waren.
Obwohl die Aktion ursprünglich auf unbestimmte Zeit geplant war, wurde sie auch wegen solcher
Drohungen bereits am Abend des 1. April ausgesetzt und drei Tage später offiziell für beendet erklärt.
Der Boykott stellte den Beginn staatlich genehmigter und organisierter Ausgrenzung und Verfolgung der
deutschen Juden dar.
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Die Kleinstadt
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