Table of Contents Table of Contents
Previous Page  36 / 300 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 36 / 300 Next Page
Page Background

Hitlerjugend im Aufwind

Mit der NS-Machtübernahme war 1933 eine schnell an Zahl und

Einfluss zunehmende neue Organisation neben die beiden tradi-

tionellen außerfamiliären Erziehungsinstanzen Schule und Kir-

che getreten, die umgehend alles daransetzte, um insbesondere

der Kirche ihren Rang abzulaufen und auf die Schule maßge-

benden Einfluss auszuüben: die Hitlerjugend.

Leider ist über die NS-Jugendorganisation in

Brühl wenig bekannt, da keinerlei Quellen erhalten

sind. Neben propagandistisch gefärbten Zeitungsbe-

richten belegen allein Fotos, dass HJ und Jungvolk,

BDM und Jungmädel auch hier schnell an Größe zu-

nahmen und zu einem festen und wichtigen Be-

standteil des lokalen NS-Alltags wurden.

Mit welchen Ansprüchen sie dabei auftraten, wur-

de der Brühler Bevölkerung bereits fünf Tage nach

dem „Tag von Potsdam“ vor Augen geführt, als im

Ort ein „Werbetag“ der Hitlerjugend durchgeführt

wurde. Um den gewünschten machtvollen Eindruck

zu erzielen, reichten die zu diesem Zeitpunkt zahlen-

mäßig sicherlich noch recht bescheidenen ortsansäs-

sigen Einheiten jedoch nicht aus, sodass am Vormit-

tag des 26. März 1933, einem Sonntag, laut Pressebe-

richt „Kolonne um Kolonne“ von HJ-Einheiten „aus

allen Teilen des Landkreises Köln in das sonnen-

durchflutete Städtchen am Vorgebirge“ strömten,

um sich dann am frühen Nachmittag „in straffer

Disziplin“ auf einen Propagandamarsch durch Brühl

zu begeben.

⁴⁶

In gewohnter Übertreibung schilderte die NS-

Presse den angeblich heftig umjubelten Umzug, an

dessen Ende ein hochrangiger HJ-Funktionär auf

dem Marktplatz erklärte habe: „Wenn große Ideen

zur Tat werden sollen, dann müssen sie von der Ju-

gend getragen sein.“ Dem ließ er eine deutliche

Kampfansage folgen: „Weil wir Hitler-Jungen als

Erste die Volksgemeinschaft im Staate wollen, kön-

nen wir aber neben der riesigen Organisation der

Hitler-Jugend keine anderen Jugendbünde um uns

dulden.“ Zugleich musste der Redner allerdings ein-

räumen, dass man erst „am Anfang eines langen,

beschwerlichen Weges“ stehe, bei dessen Bewälti-

gung aber kein Jugendlicher abseitsstehen dürfe.

Die jetzt noch außerhalb stehenden „Gruppen und

Grüppchen“, da gab er sich siegesgewiss, würden über kurz

oder lang „kraft der Gewalt der Idee“ ebenfalls den Weg in die

Hitlerjugend finden. Zugleich richtete er auch eine als Appell

getarnte Warnung an die Eltern: „Jeder Deutsche, der seinen

Sohn oder seine Tochter von dieser Bewegung der deutschfüh-

lenden Jugend fernhält, versündigt sich an seinen Kindern und

am deutschen Volke.“

32

33

32 /

„Die Jugend dem Nationalsozialismus“:

Banner am Bonner Bahnhofsgebäude,

Sommer 1934

33 /

Mitglieder des Bundes Deutscher Mädel

bei einer HJ-Kundgebung in Brühl,

Frühjahr 1934

Die Kleinstadt

34