Inhalten hatte unmittelbar nach den
Märzwahlen des Jahres 1933 eingesetzt.
Selbst die zentrumsorientierte
Brühler
Zeitung
druckte anlässlich des Boykotts
erste antisemitische Artikel und forderte
ihre Leser im Namen des „Zentralkomi-
tees zur Abwehr jüdischer Gräuel- und
Boykotthetze“ auf, sich an den gegen jüdi-
sche Geschäfte gerichteten Aktionen aktiv
zu beteiligen: „Zur Kenntlichmachung
jüdischer Geschäfte sind an deren Ein-
gangstüren Plakate oder Tafeln mit gelben
Flecken auf schwarzem Grund anzubrin-
gen“ – genau das tat nach eigenem Bekun-
den auch der achtjährige Günther Roos.
Selbst wenn der 1. April 1933 in Brühl
offensichtlich für längere Zeit die einzige
größere antisemitische Aktion blieb –
auch die
Brühler Zeitung
hielt sich im Ge-
gensatz zur NS-Tageszeitung
Westdeut-
scher Beobachter
in den folgenden Jahren
in dieser Hinsicht wieder deutlich zurück –,
war der künftige Weg vorgezeichnet. Man
kaufte zunächst zwar zumeist wieder wie
gewohnt auch in den jüdischen Geschäf-
ten ein, hatte aber deutlich zur Kenntnis
genommen, in welch privilegierter und
überlegener Situation sich die „arische“
Mehrheitsbevölkerung wähnen durfte.
Im Lauf der Zeit vertieften sich wie
selbstverständlich die Risse in ehemals
gutnachbarschaftlichen Verhältnissen,
denn angesichts der permanenten antise-
mitischen NS-Propaganda machten sich
in der kleinstädtischen Gesellschaft in
dieser Hinsicht zunehmend auch Unsi-
cherheit und Angst breit. Wie sollte man
sich gegenüber den jüdischen Nachbarn
verhalten, ohne Gefahr zu laufen, sich
außerhalb der immer wieder proklamier-
ten „Volksgemeinschaft“ zu stellen oder
gar wegen „judenfreundlichen“ Verhaltens
Nürnberger Gesetze
Die „Nürnberger Gesetze“ sind eine Sammelbezeichnung für die Rassegesetzgebung der National
sozialisten, mit der der Ausschluss der Juden aus dem öffentlichen Leben durchgesetzt und ihre
Verfolgung eingeleitet wurde. Beschlossen wurden sie am 15. September 1935 vom Deutschen
Reichstag im Rahmen des NSDAP-Parteitages in Nürnberg.
Mit dem „Reichsbürgergesetz“ wurde künftig zwischen „Reichsbürgern“ und bloßen „Staatsangehö
rigen“ unterschieden, wobei Personen „arischen und artverwandten Blutes“ zur ersten, Juden zur
zweiten Kategorie gezählt wurden. Jüdischen Deutschen wurden damit alle politischen Rechte aber
kannt. In der ersten Verordnung zum Gesetz wurde aus NS-Sicht der Begriff „Jude“ definiert. Künftig
galt als Jude, wer drei oder vier Großeltern hatte, die „der Rasse nach“ jüdisch waren, während der,
der ein oder zwei „der Rasse nach“ jüdische Großeltern besaß, aber keine weitere Bindung an das
Judentum hatte, als „jüdischer Mischling“ bezeichnet wurde. Um das zu belegen, wurde der „Arier
nachweis“ eingeführt. Bis 1943 wurden insgesamt 13 Durchführungsverordnungen zu dem Gesetz
erlassen, die Juden völlig rechtlos und ihre Teilnahme am öffentlichen Leben unmöglich machten.
Das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, zeitgenössisch auch als
„Blutschuldgesetz“ bezeichnet, verbot sowohl Eheschließungen als auch außereheliche sexuelle Kontakte
zwischen Juden und „Deutschblütigen“, die von da an als „Rassenschande“ galten. Zudem wurde
die Beschäftigung von „Deutschen“ durch Juden stark eingeschränkt. Auch hierdurch wurde die jüdische
Bevölkerung zusehends stärker isoliert.
Die Kleinstadt
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