Ruhrkessel
Nachdem den Alliierten bereits am 7. März 1945 die Ludendorff-Brücke bei Remagen in die Hände ge
fallen war und die 9. US-Army von da an über das Sieger- und Sauerland in Richtung Ruhrgebiet vordrang,
überschritten britische, kanadische und US-Truppen am 23. und 24. März 1945 auch im Raum Wesel-
Dinslaken auf breiter Front den Rhein. In einer Zangenbewegung sollten die deutschen Einheiten um-
schlossen und eingekesselt werden. Das alliierte Oberkommando rechnete mit heftigen Straßenkämpfen
in den Ruinen der Städte und in den Höhenlagen des Sauerlandes, zumal mit Generalfeldmarschall Walter
Model ein fanatischer Anhänger des Nationalsozialismus den Oberbefehl innehatte. Trotz einiger schwerer
Kämpfe erwies sich die Eroberung des Ruhrgebiets für die alliierten Truppen aber als überraschend einfach.
Am 1. April 1945 trafen die Alliierten bei Lippstadt zusammen und schlossen damit den „Ruhrkessel“.
Etwa 300 000 deutsche Militärs – von regulären Verbänden der Wehrmacht bis zu Einheiten des „Volks-
sturms“ – befanden sich nunmehr in einem Gebiet vom Rheinland bis Westfalen, das immer enger
gezogen und am 14. April 1945 bei Hagen in zwei Teile gespalten wurde. Der kleinere östliche Teil kapitu-
lierte angesichts der Sinnlosigkeit weiteren Widerstands bereits am Tag darauf, während der westliche
Teilkessel im Bergischen Land und bei Düsseldorf und Duisburg unter dem Befehl Models noch bis zum
18. bzw. 21. April 1945 schwachen Widerstand leistete. Ganz im Gegensatz zu bis zuletzt von regionalen
NS-Führern verkündeten „Endsieg“-Parolen blieb ein blutiger Endkampf aus. Stattdessen wurde der
alliierte Vormarsch an Rhein und Ruhr zumeist von weißen Fahnen der Bevölkerung begleitet.
Oberbefehlshaber Model erschoss sich am 21. April 1945 in einem Wald bei Duisburg, nachdem er bis
zuletzt jedes alliierte Kapitulationsangebot abgelehnt und an den unbedingten Kampfeswillen seiner
Soldaten appelliert hatte.
Jungen einschließlich ihres Führers ange-
droht habe, „ihnen den blanken Arsch zu
versohlen“. „Leicht geknickt und mit
hochrotem Kopf zog der Fähnleinführer
mit seinem Trupp wieder zurück nach
Remscheid“ – und überlebte so wahr-
scheinlich den Krieg.
„Das Werfer-Regiment 85 hat aufgehört
zu existieren“, notierte Günther am
16. April, nachdem ihm tags zuvor und
nur drei Tage nach der formal so perfekten
Verleihung des „Eisernen Kreuzes“ die
provisorischen Entlassungspapiere aus
der Wehrmacht ausgestellt worden waren.
Doch er wollte die offensichtliche Nieder-
lage nach wie vor nicht wahrhaben: „Mit
Kommandeur, dem Chef, einem Fahnen-
junker und einem Unteroffizier bin ich auf
der Flucht aus dem Riesenkessel. Soll das
das Ende Deutschlands sein? Ich kann es
einfach nicht glauben. Noch immer hoffe
ich auf das Wunder, auf die Wende. Um
diesen Tag noch zu erleben und hieran
mitzuhelfen, dafür werde ich mich nach
Osten durchschlagen, dafür muss die
Heimat zurückstehen. Es lebe Deutsch-
land!“ Jahrzehnte später las sich das dann
so: „Das Ende war sang- und klanglos.
Am 15.4. kapitulierte der Ruhkessel, d. h.
was noch davon da war. Wir erhielten
eine Bescheinigung, dass wir aus der
Wehrmacht entlassen seien, und das Regi-
ment zerstreute sich in alle Winde. Es er-
füllte uns eine tiefe Verzweiflung. Sollte
alles umsonst gewesen sein? Die Reaktio-
nen waren unterschiedlich. Während ich
den Entschluss fasste, mich nach Berlin
durchzuschlagen, um dem Führer zu hel-
fen, erschossen sich zwei meiner Offiziers
kameraden, weil sie dieses schmachvolle
1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“
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