cher die Lage so zusammen: „Um 6 Uhr
begannen wir dann mit dem Dauerfeuer
in den Grüngürtel. Mit den letzten Wurf-
körpern sprengten wir dann unsere Wer-
fer, und dann begann unser Rückzug
über den Rhein. Hier wunderten sich
total verdatterte Volkssturmmänner, wo
wir noch herkämen. Sie hatten mit einer
Landung der Amerikaner gerechnet.“
Günther gab sich aber nach wie vor
kampfbereit und optimistisch. „Mit Recht
und reinem Gewissen kann ich behaupten,
einer der Letzten gewesen zu sein, die das
linke Rheinufer verließen“, teilte er seinem
Vater am 8. März mit, um dann fortzu-
fahren: „Nun liege ich beim Tross und
ruhe mich einmal aus und warte auf neue
Werfer.“ Ihm gehe es „nach wie vor blen-
dend“, zumal er – wie er ironisch hinzu-
fügte – keinerlei Sorgen mehr habe: „Der
Großteil der Privatklamotten auf dem
Fahrzeug verbrannt, die Wohnung ausge-
bombt, am Heimatort der Feind.“ Den-
noch dachte der 20-Jährige nicht an Auf-
gabe: „Und trotzdem: Jetzt erst recht! Es
muss noch klappen!“ 45 Jahre später
kommentierte Günter Roos: „Wir sahen,
dass wir bei der erdrückenden Über-
macht der Amerikaner militärisch am
Ende waren, wollten aber diese Tatsache
einfach nicht zur Kenntnis nehmen.
Deutschland besiegt? Das konnte doch
einfach nicht wahr sein! Und so warteten
wir auf die große Wende.“
Die Wende kam natürlich nicht. Dage-
gen aber leitete Günther – in einer solchen
Lage kaum vorstellbar – vom 18. bis zum
21. März einen viertägigen Unteroffiziers-
lehrgang. Direkt im Anschluss daran
betätigte er sich nochmals und völlig
unnötig als Todbringer, wobei die Szene,
die er im Nachhinein schilderte, in ihrer
Gegensätzlichkeit nahezu surreal erscheint.
Der 25. März, so schrieb er 1989, sei „ein
selten schöner Frühlingstag“ gewesen,
den er auf den Höhen bei Hennef erlebte,
um die von Süden anrückenden US-
Truppen aufzuhalten: „Mittags lagen wir
friedlich mit Badehosen in der Sonne.“
Als er dann nachmittags zur Beobach-
tungsstelle gegangen sei, habe er auf der
Autobahn einen riesigen amerikanischen
LKW-Konvoi entdeckt: „So ein Leicht-
sinn musste einfach bestraft werden!
Also Alarm und Feuerbereitschaft! Ich
wartete, bis sich die LKWs in der
Abfahrt nach der B8 befanden
und so ein breites Ziel boten, dann
gab ich den Feuerbefehl. Die Salve
saß haargenau, die Wirkung war
katastrophal, da der größte Teil
der Fahrzeuge offensichtlich mit
Munition beladen war und einer
nach dem anderen in die Luft
flog.“ Entsprechend viele alliierte
Soldaten dürften bei dieser mili-
tärisch sinnlosen Aktion ihr Leben
verloren haben.
Anschließend zog Günthers
Einheit Richtung Siegen, wo sie
am 1. April erfuhren, dass sie
nunmehr „K.i.K.“ seien – „Kame-
rad im Kessel“. Die Bewegungen
seiner Einheit im umkämpften
„Ruhrkessel“, so erinnerte er sich
später, seien ein „Tanz auf dem
Vulkan“ gewesen. Aber noch immer
blieb Zeit für militärischen For-
malismus, denn am 13. April wurde Gün-
ther Roos – nunmehr am bergischen
Honsberg bei Lennep liegend – hochoffi-
ziell mit ordnungsgemäßer Urkunde das
„Eiserne Kreuz 1. Klasse“ verliehen, eine
Auszeichnung, die ihn mit großem Stolz
erfüllte. Am nächsten Tag, so notierte er
im Tagebuch wohl mit etwas Wehmut,
gab er an der an seinem Standort vor
beiführenden Autobahn eine letzte Salve
mit seinen Werfern ab, um anschließend
zum Infanteristen zu werden. Bei dieser
Gelegenheit ereignete sich ein für diese
letzten Tage des NS-Regimes nicht unty-
pischer Vorgang, den Günther Roos aller-
dings lediglich aus der Rückschau schil-
derte. Als man bei Remscheid in Stellung
gegangen sei, habe sich bei seinem Vor
gesetzten ein Trupp von etwa zwanzig
Pimpfen im Alter zwischen 12 und
14 Jahren unter Leitung ihres Fähnlein-
führers zummilitärischen Einsatz gemeldet.
„So brüllen und toben habe ich unseren
Oberst Krause noch nie gehört“, der den
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Militärische Auszeichnung
kurz vor Kriegsende: Urkunde
zur Verleihung des Eisernen
Kreuzes an Günther Roos,
13. April 1945
243
1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“
259
1945