Das neue Jahr begann, wie das alte geendet hatte: „Mit dem Ein-
satz war es wieder einmal nichts. So langsam glaube ich an
nichts mehr. Nun liegen wir seit Angriffsbeginn in dem blöden
Eifelnest“, schrieb ein empörter Günther Roos am 3. Januar 1945
an seinen Vater. Seinen (Zweck-)Optimismus hatte er sich zwar
bewahrt: „Bin ja jetzt nur einmal gespannt, wie lange der Ame-
rikaner noch unseren Vormarsch bremsen kann.“ Doch auch
zehn Tage später hatte sich an seiner Lage nichts geändert: „Un-
sere Hauptbeschäftigung besteht darin, dass man wunderbare
Spaziergänge durch tief verschneite Eifelberge machte oder auf
Pirsch zog. Also mehr oder weniger ein Winter-Kuraufenthalt.“
Auf dem Weg zum „Endsieg“?
In den folgenden Monaten durchlief Günther eine bemerkens-
werte Entwicklung, denn zumindest seine im Tagebuch und in
Briefen überlieferten Äußerungen erwecken den Eindruck, dass
er sich, je deutlicher sich die deutsche Niederlage abzeichnete,
umso überzeugter vom „Endsieg“ zeigte. Einen ersten Beleg für
diese Tendenz stellt ein Brief dar, den er am 22. Januar an Vater
Toni richtete und diesen darin – den überlieferten Schrift
stücken zufolge erstmals – massiv kritisierte. Ausgangspunkt
der heftigen Schelte war ein Brief des Vaters vom 21. Dezember
des Vorjahres, der leider nicht erhalten ist. Als ihn dieses Schreiben
mit einmonatiger Verspätung erreicht habe, so Günther in seiner
Antwort darauf einleitend, sei die damit verbundene Freude bei
der Lektüre schnell verflogen und er sehr enttäuscht gewesen.
Zur Erklärung skizzierte er mit Blick auf seine Mutter zunächst
ein Frauenbild, das vermutlich aus einer Kombination der Vor-
bildfunktion des Vaters mit Versatzstücken der NS-Propaganda
entstanden war. „Wenn Mutter ultraschwarze Briefe schreibt“,
so der Sohn mit Bezug auf deren Kirchennähe, so kümmere ihn
das wenig. „Sie hat keinen politischen Blick, plappert mehr oder
weniger nur das nach, was ihr die christ-katholischen Geister
vorreden. Sie sieht nur den engen Rahmen der Familie und kann
es nicht begreifen, dass es auch noch etwas Höheres gibt, wofür
man ‚Freiheit‘, Bequemlichkeit, ruhiges und gutes Leben, und
wenn nötig auch die Kinder opfern muss, nämlich das Volk.“ Das
entspringe aber keinesfalls einem „bösen Wille“ von Elisabeth
Roos, sondern belege nur, dass sie durch „Erziehung und Ver-
wandtschaft“ gefesselt sei. Deshalb nehme er die von ihr verfassten
„pessimistischen Briefe“ auch „nicht für Ernst“, würden diese doch
keinesfalls deren „ureigenste Meinung“ widerspiegeln.
Dann setzte Günther zu einer Art Frontalangriff auf seinen
wenige Monate zuvor noch vom deutschen Sieg überzeugten Vater
an, der unter dem Eindruck der Aufgabe von Paris und dem
hektischen Rückzug viel von seinem politischen Glauben ein
gebüßt hatte. Es sei „etwas ganz anderes“, wenn er ihm solche
Briefe schreibe: „Von Dir könnte ich etwas ganz anderes erwarten.
Du bist ein Mann, von dem ich bisher annahm, einen Weitblick
für das politische und militärische Geschehen zu haben, und der
vor allen Dingen als alter Nazi fest an unsere Sache und an den
1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“
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