Versuche das Böse in dir niederzuringen
und das Gute für hohe Ideale einzusetzen,
auf dass das Gute zum Guten werde!‘
Nun beginnt das Leben. Es beginnt das
Ringen zwischen Gut und Böse. Es
kommt der Einsatz für die höchsten Idea-
le, für Vaterland und Blut, und der Ver-
such, die Eigenschaften meines Gottes
zu haben. Habe ich dann das Leben, das
Ringen und Kampf, Suchen und Forschen
war, beendet, dann trete ich wieder vor
Gott. Er beurteilt mein Leben, denn nur
er kann es. Habe ich nach seinem Auftrag
gehandelt und gelebt, so nimmt er mich
auf in die Seligkeit. Erfüllung des Lebens,
das ist Seligkeit. Ich erkenne von höhe-
rem Standpunkt aus gesehen, dass mein
Idol und mein Kampf gut war. Alle Rätsel
und Fragen, sie werden klar. Auf jedes
Warum folgt die Antwort. Ich sehe auf
die Erde und sehe, dass meine Kinder gut
sind, dass auf dem Fundament, das ich
gebaut habe, weitergeschaffen wird. Das
ist mein Weltbild, und ich versuche, nach
ihm zu leben.“
Demnach glaubte Günther Roos in
dieser Zeit, dass er bei der Umsetzung
seiner selbst definierten Ideale letztlich
selbst in einen nahezu gottgleichen Zu-
stand aufsteigen werde. Es muss dahinge-
stellt bleiben, inwieweit solche Allmachts-
fantasien nur oberflächlich angelesen oder
Ausdruck seines von der Überlegenheit
einer „nordischen Herrenrasse“ geprägten
rassistischen Weltbildes waren. Deutlich
wird anhand dieser in eigenen Worten
formulierten Weltsicht jedenfalls, dass die
früh begonnene, in Germeter entschei-
dend intensivierte und im RAD-Lager
dann fortgesetzte Indoktrination immer
stärker von ihm Besitz ergriff. In Teilen
zeitigte sie nach Günther Roos’ eigenem
Bekunden sogar eine bis ins hohe Alter
andauernde Wirkung.
Er sah und „nutzte“ seinen so definier-
ten Gott aber auch ganz pragmatisch. Als
er am 27. Juli erstmals in der RAD-Zeit
„de Mopp“ – sprich getrübte Stimmung –
hatte, schrieb er durchaus ernst gemeint:
„In der Verzweiflung habe ich zu meinem
Gott gebetet, dass ein Ereignis eintritt,
das mich aufmuntert. Schon geschehen.
Es regnet und so wird die Leibeserzie-
hung wohl ausfallen. Mein Gott ist stark
und ich habe Vertrauen zu ihm.“ Eine
solche Sicht half ihm auch danach immer
wieder aus stimmungsmäßigen Turbulen-
zen. Als am 9. August drei Stubenkame-
raden zur Feuerwehr nach Oldenburg ab-
kommandiert wurden und Günther bei
dieser willkommenen Abwechslung nicht
dabei sein durfte, glaubte er „vor Wut
platzen“ zu müssen. Doch schon nahte
Hilfe: „Aber mein Gott wird es schon
wissen, warum er mich hierbehält. Ich
vertraue auf meinen Gott. Er wird mich
leiten und führen zu Großem.“
Bei all diesen Gedankenspielen und
dem Tasten nach Orientierung war und
blieb Unterfeldmeister Knobloch für
Günther eine wichtige Orientierung. „Ich
muss dann immer staunen. Er ist doch
ein Mann, der rein gar keine ‚Bildung‘
hat und es auch offen eingesteht, und mir
so schon imponiert. Aber er hat durch
eine harte Lebensschule eine solche Er-
fahrung und Menschenkenntnis, dass ich
immer wieder platt bin, und er wird mir
immer Vorbild sein. Er hat mir sehr, sehr
viel gegeben durch seine Gedanken über
Gott, dass es sich dafür schon gelohnt hat,
in den RAD zu kommen“, beteuerte er
gegen Ende der RAD-Zeit am 19. Septem-
ber, nachdem er mit Knobloch zuvor wie-
der einmal „über Gott debattiert“ hatte.
Auf welchem „Niveau“ solche Gespräche
geführt wurden, belegt ein weiterer Ein-
trag vom 10. September: „Nun mal zum
Thema Gott. Für Knobloch gibt es nur
Deutschland und sonst nichts auf der
Welt und erst recht keine Katholiken.“ Er
habe ihm, so Günther sehr angetan, „ein
herrliches Beispiel für das Undeutsche
dieser Richtung“ gegeben, nämlich „die
unbefleckt gebärende Maria“. „Knobloch
hat recht, wenn er sagt, dass das eine un-
geheure Herausforderung ist. Denn das
heißt, dass unsere Mutter durch die Ge-
burt befleckt wurde! Eine deutsche Mut-
ter ist befleckt, weil sie Nachkommen auf
die Welt setzt!!! Das genügt schon, um
den Katholizismus zu verdammen.“ So
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
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