und Untermenschen! Dies war kein
Krieg zwischen zwei Ländern. Dies war
ein Kampf zwischen europäischer Kultur
und Zivilisation und asiatischer Barbarei.
Welch ein Glück für Europa, dass in die-
sem Schicksalskampf an der Spitze
Deutschlands der größte Feldherr aller
Zeiten, Adolf Hitler, stand. Die Briefe
meines Bruders, der den Vormarsch im
Mittelabschnitt bis nach Tula mitmachte,
und die Briefe meines Vaters, der mit der
OT in der Ukraine war, berichteten von
trostlosen Zuständen im Arbeiterpara-
dies. Mein Vater, der ja in der Etappe
war, berichtete außerdem von Massen-
morden an Juden. Erste heute, wo ich
diese Briefe meines Vaters nochmals ge-
lesen habe, ist mir das Ungeheuerliche
der Judenmassaker bewusst geworden,
damals hat man darüber als etwas
Selbstverständliches und Normales hin-
weggelesen.“
Der letztgenannte Aspekt überrascht
ein wenig, denn Günther Roos hatte sich
bis dahin in seinem Tagebuch nicht als
glühender Antisemit gezeigt. Die zuneh-
mende Bedrängnis der jüdischen Bevöl-
kerung Brühls fand dort mit keinem
Wort Erwähnung, was aber wohl nicht
zuletzt darin begründet lag, dass er deren
Schicksal angesichts der großen Ereig-
nisse auf den Kriegsschauplätzen und
seines steilen Aufstieges in der Jungvolk-
hierarchie einfach keine Beachtung
schenkte, zumal die Zahl der in der
Kleinstadt wohnenden Juden von über
100 im Jahr 1933 auf nur noch 28 Ende
1941 zurückgegangen war. Andererseits
werden der stete Rückgang des jüdischen
Bevölkerungsanteils und die zunehmen-
de Ausgrenzung von Nachbarn und Be-
kannten aus dem gesellschaftlichen Le-
ben ihm nicht gänzlich verborgen geblie-
ben sein.
Weitaus stärker beschäftigte ihn jeden-
falls das Schicksal seines Bruders Gustav.
Trotz aller propagandistisch herausge-
stellten Erfolge wurde auch Günther zu-
nehmend klar, dass der Krieg im Osten
immer zahlreichere Opfer forderte. „Die
Russen vernichtend geschlagen“, notierte
er am 6. August in seinem Tagebuch.
„900 000 Gefangene. Ein Vielfaches an
Toten. 13 150 Panzer, 10 400 Geschütze
und 9 082 Flugzeuge. Die kühnsten Er-
wartungen übertroffen!! Fast Über-
menschliches wurde geleistet!!! Der Ver-
nichtungskampf geht weiter!“ Fünf Tage
später fügte er hinzu: „Es kommen jetzt
viele Nachrichten von der Front. Aber al-
les traurige. Theo Schenk, Alex Wolff,
Harry Gieraß, Leutnant bei Leibstandar-
te Adolf Hitler, sind gefallen.“ Zugleich
machten sich erste vorsichtige Zweifel
breit: „Noch ein Thema: Russland. Wie
soll das hier eigentlich gehen? Ich ver-
traue felsenfest auf meinen Führer. Aber
skeptisch betrachtet, kann die Sache faul
werden. Wenn nun Russland von Sibirien
aus weiterkämpft? Die Folge wäre ein
Stellungskrieg.“
Genährt wurden solche Zweifel in ers-
ter Linie durch die Briefe, die der in in-
tensive Kampfhandlungen verwi-
ckelte Bruder Gustav schickte. Er
schilderte ungeschminkt die An-
strengungen und Brutalitäten des
Krieges, die so gar nicht mit den
heroischen Propagandaberichten
in Zeitungen und Wochenschau-
berichten übereinstimmen woll-
ten: „Hoffentlich ist diese Scheiße
dann auch bald zu Ende!“,
schrieb er bereits am 11. Juli und
fügte am 16. August hinzu: „Un-
ser täglicher Wunsch ist das: ‚Wir
wollen heim, uns reicht’s!‘“ Dabei
verfolgte der ältere der Roos-Brü-
der auch das Ziel, den offenbar
kurz vor der freiwilligen Meldung
zur Wehrmacht stehenden Gün-
ther unbedingt von diesem Vorhaben ab-
zubringen, indem er die beschwerlichen
und gefährlichen Seiten des aktuellen
Soldatentums schilderte. Am 4. Septem-
ber schrieb er ihm warnend: „Solch eine
Nacht müsste eigentlich jeder mal vor sei-
ner Freiwilligmeldung mitmachen.“ Zu-
sehends desillusioniert folgte Mitte De-
zember die in dieser Hinsicht deutlichste
Warnung: „Und, mein lieber Knabe,
wenn Du Dich mutwillig melden würdest,
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177/
„Russen!“, notierte Gustav
Roos auf der Rückseite
dieser Aufnahme, die im
August 1941 entstand.
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1941: „Ein neues, starkes Volk wächst heran. Und ich bin dabei!“
1941