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meinen Bruder! Haben heute mit dem

Jungvolk, der HJ und dem BDM eine

Rheintour bis Honnef gemacht. Wenn

man es so bedenkt, auch paradox. Wir

versuchten uns zu amüsieren – ich konn-

te es nicht richtig, denn ich musste im-

mer an Gustav denken – und im Osten

sc

hießen sie sich gegenseitig tot.“

[

Û

56]

Bei aller Bedrückung dominierte an-

gesichts der bis dahin vorzuweisenden

Erfolge der Wehrmacht und der auf-

grund andauernder öffentlicher Wieder-

holung mittlerweile als legendär gelten-

den „Weitsicht des Führers“ aber auch in

Brühl bald wieder die durch die NS-Pro-

paganda angeheizte Siegeszuversicht.

„Vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer:

Kampffront gegen den Bolschewismus“,

titelte noch am 22. Juni etwa der

West-

deutsche Beobachter

in einem Extrablatt.

Und auch Günther Roos registrierte be-

geistert die schnellen Erfolge, die per

Sondermeldungen an der „Heimatfront“

verbreitet wurden: „Die sind ja schon

tüchtig vorwärtsgekommen“, notierte er

beispielsweise am 29. Juni. „2 000 Panzer

zerstört, 4 100 Flugzeuge und 40 000 Ge-

fangene. Die Zahlen steigen dauernd.“

Solche Siege wirkten auch mit Blick auf

das ungewisse Schicksal des Bruders be-

ruhigend. „Brest, wo Gustav ist, Dubno,

Grodno, Kowno, Wilna, Dünaburg und

Minsk sind in unserer Hand. Fantasti-

sche Erfolge!!“

Zur Jahresmitte 1941 erfolgte Ende

Juni das Angebot seines Schuldirektors,

dass er und weitere Klassenkameraden

als „Lagermannschaftsführer“ in der „er-

weiterten Kinderlandverschickung“ ein-

gesetzt werden sollten. „Ich ginge ja ger-

ne, aber Mutter!? Also bleibe ich hier.“

Und auch, als dieses Angebot im August

erneuert wurde, blieb Günther standhaft.

„Heute wurden wir zu 9 Mann aus der

Klasse angenehm überrascht. Zeus er-

klärte uns, dass wir als Lagerleiter der

Kinderlandverschickung eingesetzt wür-

den. Das kann ja heiter werden. Ich soll

Kinderlandverschickung (KLV)

Die „erweiterte Kinderlandverschickung“ wurde auf Weisung Hitlers im September 1940 ein­

geführt und von der Reichsjugendführung organisiert und geleitet. Damit trug die Hitlerjugend

die inhaltliche Verantwortung und führte diese Maßnahme in Zusammenarbeit mit der NS-Volkswohlfahrt (NSV) und den Schulen durch. Der Zusatz „erweiterte“ sollte dabei suggerieren,

dass es sich bei diesen massenhaften Evakuierungen von Kindern aus von Bomben bedrohten

Städten lediglich um eine Ausweitung bereits zuvor bestehender Erholungsmaßnahmen handeln

würde.

Die kriegsbedingte Notlage wurde in eine ideologische Tugend umgewandelt: Die Kinder waren

in der KLV zwar vor den Kriegsauswirkungen geschützt, getrennt von Elternhaus und Kirche aber

zugleich der politischen Beeinflussung und dem paramilitärischen Drill durch die HJ ausgeliefert.

Das galt natürlich in erster Linie für die 10- bis 14-Jährigen, die in KLV-Lagern untergebracht

wurden, während die 6- bis 10-Jährigen in „Familienpflegestellen“ Unterkunft fanden. Ab Mitte

1943, verstärkt dann 1944, kam es zur Evakuierung ganzer Schulen.

Die Lagerleitung und die Organisation des Schulunterrichts lag in den Händen von Lehrern,

während die HJ und hier insbesondere die von ihr gestellten „Lagermannschaftsführer“ die gesamte

Freizeit der Kinder kontrollierten und – nicht zuletzt unter dem Aspekt der Wehrerziehung –

bestimmten. Allgemein galt auch in den KLV-Lagern die HJ-Maxime „Jugend führt Jugend“.

Insgesamt wurden rund 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche im Lauf des Krieges im Rahmen

der KLV in fremde Familien oder eins der etwa 5 000 Lager evakuiert. Sie lebten teilweise

jahrelang in Schullandheimen, Jugendherbergen, Zeltlagern, Pensionen, Hotels, Klöstern usw.

Nachdem die Kinderlandverschickung Anfang 1944 ihren Höhepunkt erreicht hatte, begannen

Mitte desselben Jahres die Rückführungen, die sich bis in die ersten Nachkriegsmonate hinzogen.

Vielfach gerieten die Kinder bei Kriegsende zwischen die Fronten.

56 Ü Der 22. Juni 1941 im Deutschen Rundfunk

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1941: „Ein neues, starkes Volk wächst heran. Und ich bin dabei!“