Neben seinen antisemitischen und
rassistischen Tiraden ließ Vater Toni in
seinen Briefen keinerlei Zweifel an der
unbedingten Notwendigkeit des einmal
begonnenen Vernichtungskrieges und
mahnte die Familienangehörigen zum
optimistischen Durchhalten. Er habe, so
rügte er Mitte September seine Frau Eli-
sabeth, „in letzter Zeit allgemein, aber
auch bei dir festgestellt, dass in jedem
Brief das Gequatsche steht: ‚Wäre der
Krieg doch vorbei‘.“ Er sei in diesem
Punkt durchaus ihrer Meinung, „aber er
ist nun einmal notwendig geworden und
muss vorerst mal gewonnen werden,
denn wehe Europa, wenn das Plutokra-
ten- und Bolschewistenpack obsiegen
würde“. Solch „ewiges Gewimmer“ diene
nicht gerade der Stabilisierung der Front,
weshalb er solchen „Quatsch“ nicht mehr
hören wolle. Stattdessen gelte es die his-
torische Stunde zu würdigen: „Heute ha-
ben wir bei Krementschug den Dnepr
überschritten und z. Zt. entwickelt sich
hier im Abschnitt wohl die größte
Schlacht der Weltgeschichte, welche die
Entscheidung für Europa auf 1 000 Jahre
bringen wird“: „Europa ist erwacht –
und handelt.“
Der zunehmend ungeduldig an der
„Heimatfront“ ausharrende Günther sah
das ungeachtet aller Unsicherheiten ge-
nau wie sein Vater und sog gierig alles in
sich auf, was dieser aus dem Osten mit-
teilte. Ebenso wie Toni Roos war auch
sein jüngerer Sohn zutiefst davon über-
zeugt, Zeuge welthistorischer Vorgänge
zu sein. Noch im hohen Alter musste er
eingestehen, wie tief und einseitig dabei
die offizielle und insbesondere auch die
innerfamiliäre Berichterstattung sein
Denken und schließlich auch Handeln
beeinflusst hatten. Seine damalige Pers-
pektive auf die Geschehnisse fasste er
später wie folgt zusammen: „Und etwas
Neues kam hinzu: Wir hörten von tieri-
schen Grausamkeiten der Bolschewisten.
Gerüchte liefen um von Kriegsgefange-
nen, die die Taschen voll hatten von aus-
gestochenen Augen. Und dann Bilder
von Gefangenen. Das waren ja keine
Menschen, das waren asiatische Bestien
176
176/
„Geschichte und Gegenwart.
Wir überschreiten die
Beresina, 8. Juli 1941“,
beschriftete Gustav Roos
mit Verweis auf den Russ-
landfeldzug Napoleons
und die Schlacht an der
Beresina 1812 dieses Foto.
164
1941: „Ein neues, starkes Volk wächst heran. Und ich bin dabei!“