anerkannt war und in der es einem doch
zusehends besser ging?
[
Ü
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So führte die Familie Roos nach allen
vorliegenden Erkenntnissen in diesen
Jahren ein an die herrschenden Verhält-
nisse angepasstes Leben, ohne sich dabei
über das normale Maß hinaus im NS-
Sinne zu betätigen. Vater Toni fuhr 1934
und 1935 zwar zum Reichsparteitag nach
Nürnberg, folgte dabei aber wohl eher
seinem Hang zum Feiern und Genießen
als einer tiefen politischen Überzeugung.
Die Brüder Gustav und Günther waren
wie selbstverständlich Mitglieder im
Jungvolk, legten aber – hierin ganz dem
Beispiel des Vaters folgend – zunächst
keinerlei Engagement an den Tag, um
etwa in Führungspositionen aufzusteigen.
Man war „dabei“, von den Zielen und
insbesondere den sicht- und spürbaren
„Erfolgen“ des Regimes überzeugt und so-
mit in dessen Sinne voll und ganz in den
NS-Staat integriert, ohne allerdings wei-
ter gehende Ambitionen zu entwickeln.
1938 stand Gustav kurz vor dem Abitur
und strebte eine gutbürgerliche Karriere
als Architekt an; Vater Toni hatte nach
vielfältigen beruflichen Irrwegen wieder
Arbeit
und
würde
bald
eine sichere Anstellung bei der „Organi-
sation Todt“ erhalten; und der 14-jährige
Günther genoss das großfamiliäre Leben,
das Spielen mit seinem Freund Kurt, das
Aushecken von Streichen, das Lesen und
im Sommer das Schwimmbad, während
er – wie so viele Gleichaltrige – das Gym-
nasium eher als unausweichliche Last
empfand.
Auch seine „Dienste“ im Jungvolk
scheint Günther zu diesem Zeitpunkt nicht
als beglückende Aufgabe eines „Pimpfen“,
sondern vielmehr als lästige Pflicht emp-
funden zu haben, der er eher lustlos nach-
kam. Die dort vermittelten Inhalte kolli-
dierten – wohl auch in ihren antisemiti-
schen Ausprägungen – zunächst nicht
übermäßig mit den Verhaltensvorgaben
des katholischen Milieus, in dem sich
Günther ja weiterhin bewegte und dem
sich insbesondere Mutter Elisabeth zuge-
hörig fühlte. „Noch schien es miteinan-
der vereinbar, Nationalsozialist und Ka-
tholik zu sein“, schrieb er später über
diese Phase seiner Jugend, die er – im
wissenden Rückblick auf die damaligen
Verhältnisse sicherlich überraschend –
als eine der „Freiheit“ charakterisierte:
„Obwohl wir in einem autoritären Staat
lebten, fühlten wir uns vollkommen frei.
Denn unser Begriff von Freiheit deckte
sich mit dem der herrschenden Macht. Es
war eine Selbstverständlichkeit, dass per-
sönliche Freiheit vor dem Allgemeinwohl
zurückstehen musste. Und in unseren
Liedern sangen wir doch auch immer von
der Freiheit: ‚Nur der Freiheit gehört
unser Leben‘ oder ‚Mit der Fahne der
Jugend für Freiheit und Brot‘! Hitler hat-
te uns doch erst richtig frei gemacht.“
Dieses als „frei“ empfundene, von über-
mäßigen Pflichten und großen persön
lichen Ambitionen unbelastete und ent-
sprechend unbeschwerte Leben sollte im
Frühjahr 1939 sein abruptes Ende finden,
als zum 20. April der Übertritt des bald
15-jährigen Günther aus dem Jungvolk in
die HJ anstand. Wie aus dem ver-
spielten Kind binnen kurzer Zeit
ein machthungriger und skrupel-
loser Jungvolkführer wurde, und
wie sich dessen Entwicklung über
den Reichsarbeitsdienst bis zum
Wehrmachtsoffizier und Kriegs-
gefangenen weiter gestaltete, gilt
es in den folgenden, nach Jah
reszahlen gegliederten Kapiteln
anhand von Tagebucheinträgen,
Briefen und Erinnerungen schritt-
weise nachzuzeichnen.
Zuvor soll jedoch mit einem
Zwischenkapitel ein Thema be-
handelt werden, dem für das Le-
ben des jungen Günther Roos
eine erhebliche Bedeutung beizu-
messen ist. Denn der Protagonist
war ein eifriger Leser, Radiohörer
und Kinogänger und damit ge-
prägt von den modernen Medien
seiner Zeit.
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Familie Roos im Frühjahr 1931
anlässlich der Kommunion
von Gustav
13 Ü Das Pogrom in BrühlPrägungen
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