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Titelblätter des
Illustrierten Beob
achters
aus den
Jahren 1939 und
1941. Neben Führer-
verehrung und Be-
richten über Erfolge
im Krieg vermittelten
die Hefte massen-
haft rassistisches
Gedankengut.
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entliehenen Bücher zurückgegeben habe, weil die Borromäus-
Bibliothek schließen müsse. Ab Januar 1941 wurde sie dann
durch die neue „Volksbücherei“ im Gymnasium ersetzt, die von
einem dort tätigen Studienrat geleitet wurde.
Für Günther und seine zu jenem Zeitpunkt domi-
nierenden Lesegewohnheiten änderte sich durch die
Schließung der Pfarrbücherei offenbar einiges. Seine
„bevorzugte Literatur“, so erinnerte er sich später,
habe sich aus den Bänden von Karl May, Abenteuer-
romanen wie jenen von Jack London, aus Berichten
von Forschungsreisen beispielsweise des mit dem
NS-Regime eng verbundenen Sven Hedin oder von
Wilhelm Filchner sowie aus geschichtlichen Romanen
von Felix Dahn oder Mirko Jelusich zusammenge-
setzt. Dabei machte er im Rückblick einen deutlichen
Unterschied im entsprechenden Angebot der beiden
Bibliotheken aus: In der kirchlichen Borromäus-Bücherei habe es beispielsweise die Karl-May-Bände
gegeben, die in der „Volksbücherei“ völlig gefehlt
hätten. In deren Bestand hätten sich dagegen zahl-
reiche NS-affine „Geschichtswerke“, solche zu For-
schungsreisen oder über die Erfolge deutscher Wissen-
schaftler gefunden – Inhalte, die nun offenbar deut-
lich stärker in Günthers Fokus rückten.
Anders als die bis dahin bevorzugten Bücher von
Karl May oder Jack London waren die Werke Hedins
und die von Jelusich aber alles andere als harmlos und
unpolitisch. Insbesondere Letztgenannter verherr-
lichte in seinen historischen Romanen über Hannibal,
Caesar, Heinrich den Löwen, Oliver Cromwell oder
Gerhard von Scharnhorst das „Führertum“ und
dürfte in dieser Hinsicht auf den so lese- wie zu
sehends auch machthungrigen Günther nicht ohne
Einfluss geblieben sein.
Besonders begeistert zeigte er sich auch von dem
1 300 Seiten umfassenden Werk
Die weißen Götter
von Eduard Stucken, das er – vielleicht als erste Aus-
leihe aus der „Volksbücherei“ – im Januar 1941 las.
Das Buch habe ihn damals „tief beeindruckt“, er-
zählte Günther Roos später über dieses Leseerlebnis.
Zum einen habe ihn die Sprache derart begeistert,
dass er das Buch seitenweise in eine Kladde abge-
schrieben habe. Zum anderen habe ihn aber „er-
schüttert“, „wie eine Handvoll Abenteurer im Na-
men des Christentums brutal eine Hochkultur“ ver-
nichtetet habe. „Nach der Lektüre des Buches war
ich tief traurig und ebenso tief empört.“ Stucken galt
im Übrigen als regimetreuer Autor und hatte 1933
ein von mehreren Schriftstellern unterzeichnetes, an
Hitler gerichtetes „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“
unterzeichnet. Seine politischen und antikirchlichen
Günther Roos und die Medien seiner Zeit
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