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Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsge-

fangenschaft entdeckte Günther Roos 1946

dann über die ihm zuvor nicht zugängli-

che Literatur wiederum eine für ihn völlig

andere Welt, angefangen mit Erich Maria

Remarques

Im Westen nichts Neues

, des-

sen Lektüre dem desillusionierten 22-Jäh-

rigen stark zu denken gab. Die Literatur

half ihm erheblich dabei, sich trotz aller

noch immer tief sitzenden NS-Überzeu-

gungen schrittweise neu zu orientieren.

Der Radiohörer

[

Ü

19 / 20]

Ohne dass Günther Roos in seinem Tage-

buch dezidiert darauf hingewiesen hätte,

hörte man bei ihm zu Hause allem An-

schein nach regelmäßig Radio. Aus eini-

gen Bemerkungen in Briefen und Tage-

bucheinträgen der Brüder Gustav und

Günther lässt sich ableiten, wie beliebt in

der Brühler Kurfürstenstraße bestimmte

Rundfunk-Unterhaltungssendungen und

eng mit ihnen verknüpfte Alltagsrituale

waren. Das galt in besonderem Maße für

den Samstagnachmittag, an dem sich die

Familie regelmäßig in der Küche zusam-

menfand, um hier am Tisch sitzend oder

rauchend auf dem Sofa liegend gemein-

sam den

Frohen Samstagnachmittag

des

Reichssenders Köln anzuhören. Die Sen-

dung galt als Prototyp des Sendekonzepts

„Bunte Stunde“, weil es ihr besonders gut

gelang, die auch seitens der NS-Propagan-

disten eingeforderte Fröhlichkeit für ein

Massenpublikum zu verbreiten. „Musi-

kalische Nummern“ aus den Bereichen

Operette, Lieder und Märsche wechselten

sich im

Frohen Samstagnachmittag

mit

Sketchen ab, in deren Mittelpunkt die

„Drei Lustigen Gesellen“ standen. Deren

Gespräche kreisten zumeist um Kurioses

und Exotisches aus fremden Ländern,

nahmen sich aber auch des familiären

Kleinbürgeralltags an, in dem Themen

wie Haarausfall, Streiche, Alkohol oder

Probleme mit der Ehefrau dominierten.

So wurde in heiterer Weise eine klare, ge-

schlechtsspezifische Rollenverteilung in

einem stets als „normal“ dargestellten

Alltag vermittelt. Der selbst Schlagermusik

machende Gustav war von den Inhalten

120

120 /

Schaufensterwerbung für

„Volksempfänger“ und „Gemein-

schaftsempfang“ anlässlich der

Rede Hitlers zur Eröffnung des

Reichstags am 21. März 1933

121/

Ausschnitt aus der Zeitschrift

Der deutsche Rundfunk

,

14. August 1938

ebenso begeistert wie der stets auf der

Suche nach spaßigen Anekdoten befind­

liche Günther, sodass die Sendung wie

ein Ritual zum beginnenden Wochenende

gehörte.

Beide Brüder dachten später während

ihrer Zeit bei der Wehrmacht immer wie-

der voller Wehmut an diese Stunden zurück

und warteten ungeduldig auf den nächs-

ten Urlaub, um solche Gefühlslagen aus

Friedenszeiten reproduzieren zu können.

So notierte Günther am 3. November 1942

in gedrückter Stimmung ins Tagebuch:

„Als wir im Dunkeln Singen hatten,

musste ich an die gemütlichen Stunden

der Winterabende zu Hause denken.

Wenn in warmer Stube Mutter am Tisch

121

19 Ü Mediengeschichte „Rundfunk“ 20 Ü Rundfunk in Brühl

Günther Roos und die Medien seiner Zeit

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