Von Kindheit an war Günther Roos ein
begeisterter Konsument sämtlicher der
damals gängigen und populären Medien.
Er galt als eifriger Leser, hörte in der
elterlichen Küche regelmäßig die jeder-
mann bekannten Rundfunksendungen
und war ein begeisterter Kinogänger. In
seinem ausgeprägten Medienkonsum
folgte er den zeitgenössischen Trends, die
immer wieder auch in Tagebucheinträgen
thematisiert wurden, indem Günther über
die gerade gelesenen Bücher berichtete,
Radiosendungen kommentierte oder aktu-
elle Kinofilme rezensierte. Aus solchen
Äußerungen lässt sich zumindest indi-
rekt ablesen, dass der Heranwachsende
von einer derart massiven Beeinflussung
auf sämtlichen medialen Ebenen nicht
unberührt blieb. Wenn auch für ihn kei-
ne konkrete Rezeptionsgeschichte ge-
schrieben werden kann, so kann Günther
Roos dennoch als Beleg für die vielfälti-
gen Versuche des NS-Regimes dienen,
gerade die junge Generation über die da-
mals modernen Medien zu indoktrinieren,
um sie so zu unkritischen Gefolgsleuten
einer zunehmend aggressiven Politik zu
machen.
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Schaufenster der Buchhandlung
Breitbach am Brühler Marktplatz,
1936/37
Der Leser
[
Ü
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Aus den Tagebucheintragungen von Günter
Roos gewinnt man den Eindruck, dass er
von Kindesbeinen an praktisch jede freie
Minute zur Lektüre nutzte, wobei Bücher
und Lesen zeitweise sogar seinen gesam-
ten Tagesrhythmus bestimmten. Der Leiter
der „Volksbücherei“ im Gymnasium, so
erzählte er später, habe ihn bei der Ausleihe
häufig gefragt: „Na, Roos, wie viele Kilo
dürfen es heute denn sein?“
Ehe Günther aber eher gezwungener-
maßen Nutzer der Brühler „Volksbücherei“
wurde, besuchte er regelmäßig die katho-
lische Borromäus-Bücherei. Nach jedem
der sonntäglichen Messbesuche führte
ihn sein Weg dorthin, um sich mit reich-
lich Lesestoff für die kommende Woche
einzudecken. Hiervon hielt ihn zunächst
auch seine ab Frühjahr 1939 an Fahrt
aufnehmende Karriere im Jungvolk nicht
ab. Im Gegenteil: Günther blieb bis zu de-
ren Schließung nicht nur „Kunde“ der
Pfarrbücherei, sondern half dort – wie
etwa noch am 24. November 1940 – bei
der Ausleihe auch selbst aus. Nur zwei
Wochen später musste er allerdings
ins Tagebuch notieren, dass er sämtliche
15 Ü Lesen in Brühl 14 Ü Mediengeschichte „Lesen“Günther Roos und die Medien seiner Zeit
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