Rheinlandbesetzung am 7. März 1936
Am frühen Morgen des 7. März rückten rund 30 000 von der Bevölkerung begeistert begrüßte
Wehrmachtssoldaten in das nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1919 entmilita-
risierte Rheinland ein. Mit diesem Coup der Remilitarisierung – seitens der NS-Propaganda als
„Rheinlandbefreiung“ gefeiert – konnte Hitler seine innenpolitische Position stärken und außen
politisch Macht demonstrieren, zumal die völkerrechtswidrige Besetzung keinerlei nennenswerte
negative Folgen für Deutschland zeitigte. Bereits am Mittag des gleichen Tages hielt Hitler vor dem
Reichstag eine Rede, in der er sich betont friedliebend gab und erklärte, Deutschland verzichte in
Europa künftig auf jegliche weiteren territorialen Ansprüche. Zugleich löste er den Reichstag auf,
um der Bevölkerung – so die propagandistisch wirksame Lesart – nach drei Jahren die Gelegenheit
zu geben, über die NS-Regierung sowie über die Besetzung des Rheinlands zu urteilen.
Der Zuspruch fiel im gesamten Reichsgebiet, insbesondere aber im Rheinland selbst nahezu ein-
hellig aus. Der eigens angereiste Propagandaminister Goebbels zeigte sich von der „großen
Begeisterung“ der Bevölkerung angetan, und anlässlich des tags darauf gefeierten „Heldengedenk-
tags“ dankte Reichskriegsminister Werner von Blomberg Hitler im Namen der Wehrmacht für den
Einmarsch. Die am 10. März von Goebbels in Berlin eröffnete Kampagne zur „Wahl“ am 29. März
wurde mit einem bis dahin nicht gekannten Propagandaaufwand geführt und endete am 28. März
mit dem „Deutschen Volkstag für Ehre, Freiheit und Frieden“. An diesem Tag, an dem Hitler
symbolisch die rheinische Metropole Köln besuchte, wurden ab 18:30 Uhr in sämtlichen deutschen
Städten Aufmärsche veranstaltet, die dann um 19:50 Uhr in Glockengeläut mündeten, das den
angeblichen deutschen Friedenswillen unterstreichen sollte. Selbst französische Pressevertreter
mussten angesichts der nahezu perfekten Inszenierung einräumen, der NS-Propaganda im All
gemeinen und Hitler im Besonderen sei es immer wieder gelungen, die Zuhörer mitzureißen
und eine Art Massenpsychose zu entfachen. Die „Wahl“ am 29. März ergab dann nach offiziellen
Angaben eine Zustimmung von 99 Prozent.
zend an. Es lief gerade eine Reportage über den Ein-
zug der Truppen über die Hohenzollernbrücke nach
Köln. Und meine Mutter erzählte uns, wie sie 1918
nach dem Ende des Weltkrieges auf eben dieser Hohen-
zollernbrücke gestanden und den letzten abrücken-
den Truppen zugewunken hatte. Und nun kamen sie
wieder! Nach einem schnellen Mittagessen fuhren
wir nach Köln und bewunderten am Neumarkt den
Durchmarsch der deutschen Soldaten. Und bei dem
Jubel der Bevölkerung kam mir zum Bewusstsein,
ein historisches Ereignis mitzuerleben.“
Günther schien nun tatsächlich beeindruckt und
in „nationaler“ Stimmung, denn gut eine Woche spä-
ter befand er, der zu dieser Zeit mit Tagebucheinträ-
gen noch sehr sparsam war, es am 16. März immer-
hin für erwähnenswert, dass ein Jahr zuvor die allge-
meine Wehrpflicht eingeführt worden war – eine Notiz, die
sicherlich im Kontext mit der kurz zuvor erfolgten Rheinland-
besetzung zu sehen ist. Spätestens jetzt, da er die vom NS-Regime für Deutschland so positiv herausgestrichenen Folgen
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