lich passte er sehr gut in das „Beuteschema“ der aufstrebenden
Partei, was Sohn Günther später treffend so ausdrückte: „Für
ihn als mehr oder weniger gescheiterten Mittelständler schien
das Programm der Hitlerpartei absolut einleuchtend.“ Daher trat
der nun geld- und arbeitslose 33-Jährige der NSDAP bei; folgt
man der Familienüberlieferung, bereits 1928, laut offizieller
Mitgliederkartei formal aber erst zum 1. Juni 1929.
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Das hielt den sozialen Abstieg von Familie Roos
zunächst aber nicht auf. Immerhin aber fand Anton
Roos Mitte Juni 1929, noch kurz vor Beginn der Welt-
wirtschaftskrise, eine Beschäftigung als Rottenarbei-
ter im Gleisbau bei der Firma Kaselitz, einem kleinen
im Braunkohletagebau tätigen Unternehmen im be-
nachbarten Hermühlheim. Da der Wochenlohn von
48 Reichsmark beim Fehlen jeglicher Rücklagen zur
Bestreitung des Lebensunterhalts bei Weitem nicht aus-
reichte, verdingte sich der begabte Hobbypianist au-
ßerdem im Brühler Kino „Apollo-Theater“ als Klavier
spieler, um Stummfilme mit Musik zu untermalen.
Trotz aller Bemühungen war die große Wohnung
in der Brühler Friedrichstraße aber nicht länger zu
halten. Stattdessen mussten ab 1929 zwei Zimmer
und Küche in der Kurfürstenstraße ausreichen – für
eine vierköpfige Familie wahrlich keine übermäßig
große und erst recht keine komfortable, den bisherigen Ansprü-
chen genügende Wohnung. Geld war aber eben knapp, und die
neue Bleibe bot den zusätzlichen Vorteil, dass das Haus acht un-
verheirateten und zugleich berufstätigen Geschwistern gehörte,
für die Mutter Elisabeth Roos nunmehr kochte und so ein drittes
Einkommen zum Familienbudget beisteuerte. Damit hatte sich
das Bild grundlegend gewandelt: Hatte Familie Roos vor dem
Ersten Weltkrieg über erhebliche Finanzmittel verfügt und ein
Dienstmädchen beschäftigt, war man nunmehr selbst auf der so-
zialen Leiter abgestiegen und zum häuslichen Dienstleister mit
bescheidenem Einkommen geworden.
Nachdem Anton Roos nach anderthalbjähriger Tätigkeit als
Arbeiter zum Jahresbeginn 1931 in seiner Firma zum Angestell-
ten im kaufmännischen Bereich mit 250 Reichsmark Monatsver-
dienst aufgestiegen war, schien sich trotz aktueller Wirtschafts-
krise alles zum Besseren zu wenden. Doch schon im Sommer
1932 drohte nach dem Tod des Firmeninhabers neues Ungemach,
weil das Unternehmen zum Jahresende aufgelöst und die Beleg-
schaft damit arbeitslos wurde.
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 die Kanzlerschaft übertra-
gen wurde und die NSDAP die politische Macht im Deutschen
Reich und alsbald auch in Brühl übernahm, galt es deshalb für
Toni Roos, schnellstmöglich eine frühere Entscheidung zu re
vidieren, um anschließend von den neuen Machtverhältnissen
profitieren zu können: Er war zwar bereits Mitte 1929 aufgrund
seiner Kölner Kontakte NSDAP-Mitglied geworden, aber bereits
zum 1. November des Jahres wieder aus der Partei ausgetreten,
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Der Brühler Kegelklub „Gut Holz“ um 1924/25.
Anton Roos stehend, 3. v. l. Wolf Kappel
(rechts sitzend) war jüdischer Viehhändler in
Brühl. Nach dem Pogrom verließ er die Stadt
am 9. Dezember 1938 Richtung Köln, von
wo aus er im Oktober 1941 ins Getto Litzmann-
stadt verschleppt und ermordet wurde.
Der Vater
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