Großfamilie, am ehesten wohl Tonis
Mutter Josephine, einsprang, um die
größten Löcher zu stopfen.
⁵⁹
Zugleich
deutet nichts darauf hin, dass Toni Roos
sehr große Anstrengungen unternommen
hätte, der Untätigkeit der Jahre 1937/38 zu
entkommen, und als ihm das schließlich
durch die Dienstverpflichtung gelungen
war, hielten sich seine Ambitionen hin-
sichtlich eines – aufgrund seiner Bezie-
hungen wohl recht leicht möglichen –
Aufstiegs in sehr überschaubaren Gren-
zen. Allem Anschein nach wählte er auch
jetzt und dann während des Krieges den
nach jeweiliger Lage der Dinge bequems-
ten Weg mit wenigen Widerständen.
Ab Juli 1938, in einer für seinen Sohn
Günther entscheidenden Phase, in der er
sich vom weitgehend desinteressierten
Jungvolkmitglied zum machthungrigen
Führer entwickelte, war Toni Roos dem-
nach zumeist abwesend, hielt die Familie
aber durch regen Briefverkehr und regel-
mäßige Besuche in Brühl über alle Ent-
wicklungen und Erlebnisse auf dem Lau-
fenden.
⁶⁰
Außerdem besuchten ihn Fami-
lienmitglieder immer wieder bei seinem
Arbeitsaufenthalt in Trier, wobei die Söhne
nicht nur Zeugen, sondern zu Beteiligten
von Feiern mit exzessiven Trinkgelagen
wurden. Aber auch auf anderem Gebiet
vermittelte ihnen ihr Vater in den Zeiten
seiner Abwesenheit damals zwar
durchaus geläufige, aber nicht un-
bedingt vorbildhafte Verhaltens-
weisen: Er gab sich sowohl in
Frankreich als auch während sei-
ner kurzen Zeit in Polen und in
der Ukraine ganz als siegestrun-
kener Besatzer. Vor allem im Os-
ten dominierte ein rassistisch ge-
prägter Blick auf die dortigen
Verhältnisse. Dabei trat in den an
die Familie gerichteten Briefen ein
erschreckender Antisemitismus
zutage, der auf den zu dieser Zeit
um
Orientierung
ringenden
17-jährigen Günther nicht ohne
Einfluss geblieben sein dürfte. In
Zeiten schneller deutscher militä-
rischer Erfolge trat Anton Roos mit dem
Überlegenheitsgefühl der vorgeblichen
„Herrenrasse“ auf, was sich darin zeigte,
dass er in der Ukraine die seitens der NS-
Propaganda unablässig als „Untermen-
schen“ diffamierte Bevölkerung und erst
Recht die dort lebenden Juden nicht nur
herablassend betrachtete, sondern sie
voller Verachtung auch unmenschlich be-
handelte. Neben dem Einfluss von Schule
und Hitlerjugend waren es demnach
wohl auch diese deutlichen Äußerungen
seines Vaters, die Günther Roos zu einem
immer überzeugteren Antisemiten wer-
den ließen.
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77 /
Anton Roos (links) im Juni 1941
im polnischen Zakopane.
Die Baskenmütze zeigt seine
Vorliebe für Frankreich.
78 /
Anton Roos (Mitte) in einem
Restaurant in Nordfrankreich,
August 1940
79 /
Anton Roos am Strand in
Nordfrankreich (Wimereux),
August 1940
Der Vater
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