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„Amnestie“ als „Gemeinheit“, „denn von

einer Schuld kann doch absolut keine

Rede sein“. – Die tief sitzenden Blockaden

hatten weiterhin Bestand.

Da nun jedoch das lang ersehnte Studi-

um wieder in greifbare Nähe gerückt war,

musste auch Günther die formalen Vor-

aussetzungen dafür schaffen. So besorgte

er sich Anfang September den hierzu not-

wendigen Fragebogen der Militärregie-

rung sowie eine Bescheinigung des Ent-

nazifizierungsausschusses. „Ich bin gelau-

fen von Pontius zu Pilatus, bin zeitweise

fast vor Wut über den Bürokratismus und

das unverschämte Benehmen der ‚Macht-

haber‘ geplatzt, und über dem Ausfüllen

der 133 mehr oder weniger blöden Fragen

wurde ich an den Rand des Wahnsinns

getrieben“, legte er voller Empörung im

Tagebuch nieder. Aber er tat immerhin

das, was zu tun war: „Ich war froh, als ich

den ganzen Schwindel am Freitag endlich

dem Ausschuss aushändigen konnte. Nun

warte ich auf das Ergebnis, um es dann an

die Hochschule weiterzureichen. Wie mag

die Antwort lauten?“

Als kurze Zeit später die Urteile im

„Nürnberger Prozess“ gesprochen wurden,

nutzte Günther Roos noch- und zugleich

letztmals die Gelegenheit, seine Sicht der

Dinge zu Papier zu bringen. „Das Nürn-

berger Urteil ist gefällt“, schrieb er am

7. Oktober und gab seinem Erstaunen dar-

über Ausdruck, „mit welcher Gelassenheit

diese Tatsache hingenommen“ worden sei:

„Man ging gleich zur Tagesordnung über.

Nur zwei Punkte wurden diskutiert: die

Todesart, nämlich Erhängen, und die Frei-

sprüche.“ Ganz im Sinne des Spruchs „Die

Kleinen hängt man und die Großen lässt

man laufen“, der zur damaligen Zeit ange-

sichts der als ungerecht empfundenen

Entnazifizierung kursierte, stellte sich

Günther die Frage, „mit welchem Recht

all die kleinen PGs [Parteigenossen] und

Hunderttausende von Kriegsgefangenen

noch festgehalten“ würden, „wenn Män-

ner wie Schacht, Papen und Fritsche frei-

gesprochen werden?“ Das sei auch ihm

völlig schleierhaft. „Im Übrigen wird die

Geschichte auch einmal ihr Urteil über

diese Männer und den Prozess schreiben.“

Für Günther Roos waren es ab Som-

mer/Herbst 1946 aber andere Dinge, die

seinen Alltag, aber auch sein Denken und

Handeln zunehmend bestimmten. Da

war zunächst der mit der Lektüre von

Im

Westen nichts Neues

geweckte Hunger auf

zuvor unbekannte Literatur. „Ja, ich habe

jetzt die reinste Lesewut. In Brühl ist

jetzt eine Buchhandlung eröffnet und ich

lege einen Großteil meiner Löhnung in

Druckerschwärze an. Abhandlungen zum

Zeitgeschehen und schöngeistige Lite­

ratur. Und ich verschlinge alles“, be-

schrieb er seine Leidenschaft Anfang Au-

gust 1946. In der Buchhandlung Rah-

melow in der Schützenstraße, so ergänzte

er später, habe sich ihm „eine ganz neue

Welt“ aufgetan: „Ich machte die erste

Bekanntschaft mit Schriftstellern wie

Heine und Mann. Und ich las eine Un-

menge Abhandlungen über die Nazizeit.“

Dadurch hätten die in seinem Denken

zuvor so hochgehaltenen Jahre ihre „Glo-

rie“ verloren, und zugleich seien erste

Zweifel in ihm aufgestiegen, „ob ich nicht

missbraucht worden sei“. Noch immer

aber, so schätzte er seine eigene Entwick-

lung in dieser Zeit rückblickend ein, hät-

ten ihn „Trotz und Stolz“ – wenn sicher-

lich auch abgeschwächt – „weiterhin an

der Richtigkeit der Naziideologie fest­

halten“ lassen.

Weil er sich „im Unterbewusstsein“ in

gewisser Hinsicht „heimatlos“ gefühlt

habe, so erklärte Günther Roos später

ein zumindest auf den ersten Blick über­

raschendes Engagement, habe er sich auf

die Suche nach einer neuen geistigen Hei-

mat begeben, wobei ihm als „einfachster

Weg“ jener „von einer totalitären Ideolo-

gie zur anderen“ erschienen sei. Auch

hierzu äußerte er sich Anfang August

1946 im Tagebuch: „Ab und zu gehe ich

auch zu Herrn Hardt. Er ist Vertreter der

KPD.“ An ihn hatte sich der um Orientie-

rung ringende 22-Jährige gewandt, um

sich „kommunistische Literatur zu Studi-

enzwecken“ auszuleihen. „Daraus haben

sich nun regelmäßige Besuche und Aus-

sprachen ergeben“, die zu diesem Zeit-

Erste Nachkriegsjahre: „Mein Ziel ist der Aufbau einer Existenz.“

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Erste Nach-

kriegsjahre