gewonnene private Idyll zu gefährden
drohte. So notierte er am 28. Januar 1948:
„Dann die Politik. Alles deutet doch auf
einen neuen Krieg hin. Der Herr bewahre
uns davor. Vor 2 Jahren – sofort mit Freu-
den – aber heute? Mir graut’s davor. Da-
für ist mir die Umstellung zu schwer
gefallen. Und dann ist jetzt auch Inge da.
Nein, ich sehne mich wahrhaftig nicht
danach. Ich will nur Friede, Ruhe, Arbeit
und Inge.“ Und auch, als im März 1948
die bis dahin zumindest formell noch
existierende alliierte Koalition endgültig
auseinanderbrach, beobachtete er das
zwar interessiert, aber vorrangig unter
der Perspektive des privaten Glücks: „Ein
Krieg rückt beängstigend nahe. Es wäre
entsetzlich! Aber wie soll das Chaos anders
gelichtet werden, und wie soll endlich der
Friede, der dauerhafte Friede geschaffen
werden? Man sieht keine Lösung mehr.
Aber nur keinen Krieg!“
Eine dauerhafte Beziehung zu Inge
wurde zum sehnlichsten Wunsch des
grundlegend gewandelten Günther Roos.
Am Ostermontag, den 29. März 1948,
fuhr seine mittlerweile mit ihrer Familie
nach Hamburg verzogene Freundin nach
einer „herrlichen Woche“ wieder in den
Norden zurück. „Vor 1 Jahr und 5 Monaten
fing es an und endet – nie!“, heißt es hier-
zu voller Hoffnung im Tagebuch. Die
Tage der Zweisamkeit empfand Günther
„wie in einem Märchen“: „Inge ist ja ein
so wunderbarer Mensch, und ich liebe sie
und sie liebt mich. Ich glaube, wir werden
einmal sehr, sehr glücklich sein! Nun
wollen wir für die Zukunft arbeiten und
uns unser Glück verdienen.“
Als Inge dann am Nachmittag abge-
reist war, tauchte Günther noch einmal
in seine Vergangenheit ab. Er schaute sich –
offenbar zum zweiten Mal – den Film
Und finden dereinst wir uns wieder …
an,
einen der ersten deutschen Nachkriegs-
spielfilme aus dem Jahr 1947, der einen
kritischen Blick auf die NS-Zeit wirft und
insbesondere die Verführung der Jugend-
lichen thematisiert. Er spielt einige Wo-
chen vor Ende des Zweiten Weltkriegs
und dreht sich um eine Gruppe von Berli-
ner Schülern, die sich heimlich aus der
Evakuierung im westfälischen Altena –
also aus dem Ruhrkessel – auf den Weg
in ihre Heimatstadt machen, um dort
„Vaterland“ und „Führer“ gegen die Rote
Armee zu verteidigen – mithin genau jene
Konstellation, in der sich auch Günther
Roos Mitte April 1945 befand. Bei aller
kritischen Stellungnahme ist der Film ein
Beispiel für die Tendenz im (west)deut-
schen Nachkriegskino, die Schuld für
Krieg und NS-Verbrechen ausschließlich
beim NS-Regime zu suchen und den ein-
fachen oder vermeintlichen „Mitläufer“
zugleich von jeder Verantwortung freizu-
sprechen – auch Günther Roos fühlte sich
nach 1945 ja lange Zeit ohne jede Schuld.
Für große Teile der deutschen Nach-
kriegsgesellschaft wurde die vermeint
liche Alleinschuld Hitlers und seiner
Paladine alsbald zum Alibi für die eigene
Rolle; durch die Verfehlungen des zuvor
uneingeschränkt bewunderten „Führers“
sahen sie sich nunmehr nicht als Täter
oder zumindest duldende Mitwisser, son-
dern als „Opfer“.
Sehr ähnlich beurteilte auch Günther
Roos den Film, der ihn stark berührte:
„Und ich habe geweint. Sah ich doch
immer wieder mein eigenes Leben. Ein
HJ-Führer schlägt sich mit einem Kame-
rad nach Berlin durch, vom Glauben an
den Führer durchdrungen. Er will seine
Heimatstadt verteidigen. Auf dem Weg
des Grauens durch den Krieg der letzten
Tage verliert er den Glauben an den Sieg
und – von alten Vorbildern im Stich
gelassen – auch den Glauben an seine Ide-
ale, führt dafür aber der Weg zu seiner
Mutter und zur Menschlichkeit zurück.“
Nach dieser Inhaltsangabe skizzierte
Günther die Bedeutung, die dem Werk
für ihn und – angesichts der aktuellen
politischen Lage und der ihr innewohnen-
den Kriegsgefahr – für die deutsche
Nachkriegsgesellschaft insgesamt zukam:
„Der Film hat nochmals alle alten Wun-
den aufgerissen, aber auch gezeigt, was
Krieg ist. Und man müsste ihn immer
und immer wieder sehen. Und heute?
Plötzlich kann der glimmende Lund zur
Erste Nachkriegsjahre: „Mein Ziel ist der Aufbau einer Existenz.“
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Erste Nach-
kriegsjahre