1945 brachte das Ende des Weltkriegs. Zuvor
vergingen in Europa aber noch mehr als vier, in
Asien gar acht Monate, die ungezählten Men-
schen das Leben kosteten. Insgesamt schätzt
man, dass durch Kriegseinwirkung weltweit
65 Millionen Menschen ums Leben kamen,
etwa die Hälfte von ihnen Zivilisten. Außerdem
lagen weite Teile des europäischen Kontinents –
insbesondere die Großstädte – in Trümmern.
Auf dem europäischen Kriegsschauplatz dau-
erten die Kämpfe bis zuletzt mit unverminderter
Härte an. Mit den vorrückenden sowjetischen
Armeen brach für die im Osten wohnende
deutsche Zivilbevölkerung eine neue Katastro-
phe ungeahnten Ausmaßes herein. In endlosen
Trecks versuchten die Menschen – zumeist
Frauen, Kinder und Greise – bei eisiger Kälte
nach Westen zu gelangen. Währenddessen
drangen die Westalliierten über den Rhein bis
zur Elbe vor, wo sie am 25. April mit sowjeti-
schen Einheiten zusammentrafen. Außerdem
wurden die schweren alliierten Bombarde-
ments auf Städte, Industriezentren und Ver-
kehrsknotenpunkte im gesamten Reichsgebiet
mit hoher Intensität fortgesetzt.
Trotz der unabwendbaren Niederlage versuchte
die NS-Führung bis zum Schluss mit allen
Mitteln, die Bevölkerung zum Durchhalten zu
motivieren, ohne den Vormarsch der alliierten
Truppen dadurch aufhalten zu können. Adolf
Hitler entzog sich schließlich am 30. April im
Bunker unter der Reichskanzlei in Berlin durch
Selbstmord jeglicher Verantwortung. Zur
gleichen Zeit hissten sowjetische Soldaten auf
der Ruine des Reichstages die Rote Fahne.
Nach und nach offenbarte sich nun das ganze
Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen
in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern,
bei deren Befreiung sich den Soldaten ein Bild
des Grauens bot. Im Rahmen der Nürnberger
Prozesse wurde bekannt, dass allein bis zu
sechs Millionen europäischer Juden ermordet
worden waren.
Die Unterzeichnung der deutschen Gesamt
kapitulation zwischen dem 7. und 9. Mai besie-
gelte die militärische, politische und moralische
Niederlage Deutschlands, das in Besatzungs-
zonen aufgeteilt wurde, von denen jede der
Siegermächte eine übernahm. Die entschei-
denden Weichenstellungen für die Nachkriegs-
zeit erfolgten auf Konferenzen, auf denen sich
die Siegermächte darauf einigten, das besiegte
Deutschland zu demilitarisieren, seine Bevöl
kerung zu entnazifizieren, die Rüstungswirt-
schaft zu entflechten und die Deutschen zur
Demokratie zurückzuführen.
Das öffentliche Leben kam unter Aufsicht der
Besatzungsmächte nur langsam wieder in
Gang. In den Städten wurde mit der Beseiti-
gung der materiellen Trümmer begonnen,
während die psychischen Deformationen noch
lange Zeit Spuren hinterlassen sollten. Die
Hauptlast der Arbeit lag zunächst bei den
Frauen, weil die Männer entweder an den
Fronten umgekommen oder in Kriegsgefangen-
schaft geraten waren. Über elf Millionen deut-
sche Soldaten befanden sich bei Kriegsende
in alliiertem Gewahrsam. An einen Wieder
aufbau Deutschlands war unter solchen Um
ständen kaum zu denken.
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71 Ü Chronik „1945“1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“
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