herbeigehoffte Gegenschlag? Das Wunder?
Wir alle fiebern vor Erwartung auf das
Kommende.“ Günther war begeistert:
„Hier wimmelt es vor Truppen. Alles ist
vollgestopft“, und vor allem: „In den
Wäldern Panzer über Panzer.“ Endlich
schien das „Große“, was er und mit ihm
viele andere seit Langem sehnsüchtig
erwarteten, einzutreten. „Am Tage eine
unheimliche Ruhe, in der Nacht eine
noch unheimlichere Geschäftigkeit. Was
ist los? Was wird gespielt?“
Die Auflösung des Rätsels erfolgte
durch den am 15. Dezember erteilten Ein
satzbefehl: „Am 16.12. soll es losgehen. In
einem Befehl von Generalfeldmarschall
Model – der Name bürgt für Qualität –
wird die Angriffsparole bekannt gegeben:
‚Vorwärts zur Maas, über die Maas nach
Antwerpen!‘ Der Plan der Offensive ist zu
fantastisch, um wahr zu sein. In kürzes
ter Zeit Durchstoß nach Antwerpen,
Trennung der Engländer von den Ameri
kanern. Ein Wort beherrscht alles. Vor
wärts, vorwärts!! Angriff!! Schärfste Be
fehle kommen: ‚Wer plündert und damit
den Vormarsch verzögert, wird erschos
sen.‘ ‚Wer Stockungen verursacht, kommt
vors Kriegsgericht, ebenfalls der Offizier,
der sich nicht sofort um die Beseitigung
der Stockung kümmert.‘ ‚Vorwärts zur
Maas über Mons nach Antwerpen!‘ usw.
Weihnachten wollen wir am Meer feiern.
Alles schwärmt in Siegeshoffnung.“ In
der Nacht vom 15. zum 16. Dezember
brachte sich Günthers Einheit in die
befohlene Stellung: „Als wir dann in der
Nacht vorrückten und die endlosen
Kolonnen von Fahrzeugen und Panzern
sahen, stieg unsere Begeisterung und Sie
geszuversicht von Stunde zu Stunde. Es
geht wieder nach vorne! Das ist die lang
ersehnte Wende! Das ist der Anfang vom
Endsieg!!“
„Und dann kommt endlich DER Tag,
der 16.12.1944. Bei Eisenbach überschrei
ten wir die Our und gehen zu den Ge
fechtsvorposten jenseits des Flusses. In
fanterie geht bereits in Bereitstellung. Auf
einer Höhe ist der Gefechtsstand. Kaum
sind wir dort, geht auch der Feuerzauber
schon los. Die ganze Front wird lebendig.
Ein dumpfes Dröhnen und Brausen ist in
der Luft. Plötzlich ein Flammenmeer, ein
infernalisches Heulen. Unsere Werfer
schießen!!! Die Brigade hat den ersten
Feuerschlag ausgelöst. Dann zuckt es blu
tig drüben in Hosingen auf – immer und
immer wieder. Sechshundert Schuss
kommen in neunzig Sekunden nieder.
Die Hölle!“ Günther Roos war begeistert
und erlebte, wie er seinem Vater einen
Tag später brieflich mitteilte, den ersten
Tag der deutschen Offensive als wahre
„Wonne“: „Unsere Salven schossen alles
zu Brei, und dann ging es fast wie beim
Manöver vorwärts. Vorwärts, stell Dir
das einmal vor! Ich bin davon überzeugt,
dass nun alles in bester Butter ist, wie ich
Dir schon immer schrieb.“ Im Tagebuch
beschrieb er den 16. Dezember so: „Es
wird Tag, ein nebliger Wintertag. Dann
kommen die ersten Toten. Sieg! Beim ers
ten, der von einem Artillerietreffer zerfetzt
ist und verlassen im Gelände liegt, packt
einen doch das Grauen. Aber dann denkt
man noch: ‚Pech gehabt‘ und geht weiter.
Krieg!“ Ein grausamer und verlustreicher
Vormarsch hatte begonnen, der – entge
gen Günthers Überzeugung – nicht „der
Anfang vom Endsieg“, sondern der An
fang vom endgültigen Ende sein sollte.
Er selbst wurde beim ersten Vorstoß
durch einen Streifschuss amerikanischer
Scharfschützen leicht am Rücken verletzt,
konnte aber – wie er es ausdrückte –
„beim Haufen“ bleiben. Schnell verkehr
ten sich die übergroßen Hoffnungen aber
in Zweifel und Ärger, denn für Günthers
Truppe war der Vormarsch bereits wieder
beendet. Erneut begann die Zeit des ner
venzehrenden Wartens auf neue Ein
satzbefehle – „aber man brauchte uns
nicht“. Also suchte er sich im evakuier
ten Preischeid ein geeignetes Haus als
Unterkunft. Was folgte, so Günther Roos
später, sei „ein recht merkwürdiger Krieg“
gewesen: „Wir blieben nämlich einfach in
Preischeid liegen, während wir uns
ärgerten, jetzt, wo die Wende des Krieges
begann, nicht dabei sein zu dürfen.“ Mel
dungen, die seine Einheit in dem kleinen
1944: „Der Endsieg ist greifbar nahe gerückt!!“
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1944