Herz stand still. Wenn das Haus eingestürzt wäre, der Schreck
hätte nicht größer sein können.“ Umso größer sei dann natür
lich die Freude gewesen, als er vom Fehlschlag des Attentats
gehört habe: „Mit jedem Wort der Meldung wuchs das Glück
über die Errettung, wuchs der Dank zu Gott für das Wunder,
wuchs die Wut über die Verräter! Ich wage gar nicht auszuden
ken, was alles hätte geschehen können. Aber der Führer lebt!!!“
Schnell gewann er dem Ereignis positive Seiten ab und bezeich
nete es „fast als Glück für Deutschland“. „Denn nun wird reiner
Tisch gemacht, wird aufgeräumt. Ein Schritt weiter zum endgül
tigen Sieg! Es lebe Deutschland!!“
[
Ü
70]
Gestützt wurde seine
Sichtweise in dieser Zeit zunächst durch seinen mittlerweile in
Paris stationierten Vater, der ihm von dort am 9. August schrieb,
dass er als geborener Optimist „die Sache, obwohl sie z. Zt. toll
verläuft, absolut nicht so schwarz“ sehe. „Die Schweinebande
Stauffenberg u. andere“ sei „ja nun inzwischen aufgehängt wor
den“. Er müsse sich zudem Günthers Ansicht anschließen, „dass
der Führer weiß, was er will, und in dem Augenblick schon zu
haut – ob mit neuen Waffen oder mit alten –, wenn er es an der
Zeit sieht. Also abwarten und Ruhe bewahren.“ Vor allem warte
er gespannt auf den Einsatz der „V2“: „Ich zähle die Minuten“.
„Wunderwaffen“
Das propagandistische Schlagwort von den „Wunderwaffen“, also die Hoffnung auf
unerwartete, den Krieg entscheidende Waffenentwicklungen, sollte nach der Kriegs
wende 1942/43 in der deutschen Bevölkerung den Glauben an den „Endsieg“ aufrecht
erhalten. Daher gab Propagandaminister Goebbels Anweisungen, Gerüchte über die
Entwicklung und den kurz bevorstehenden Einsatz solcher „Wunderwaffen“ zu streuen.
Tatsächlich gab es neue Waffen, die dann euphorisch als solche „Wunderwaffen“
begrüßt wurden: Die Messerschmitt Me 262 war der erste operationsreife Düsenjäger
der Welt. Außerdem verfügte die Wehrmacht in der zweiten Hälfte des Jahres 1944
über zwei neuartige Angriffswaffen: die „V1“ (das „V“ stand für „Vergeltung“) als fernge
steuerten Flugkörper, der 1 000 Kilogramm Sprengstoff transportierte, und die „V2“ als
Großrakete mit Flüssigkeitstriebwerk, großer Reichweite und ebenfalls 1000 Kilogramm
Sprengstoff. Beide Waffensysteme wurden insbesondere gegen London und Antwerpen
eingesetzt, wo sie große Schäden anrichteten. Gegen eine sich nähernde „V2“ gab es
wegen deren hoher Geschwindigkeit keine Vorwarnung.
In der deutschen Bevölkerung blieb die Begeisterung über die „Wunderwaffen“ aller
dings weit hinter den Erwartungen der nationalsozialistischen Führung zurück, da sie
keine durchschlagende Wirkung zeitigten.
70 Ü Das Hitler-Attentat im Rundfunk (20. Juli 1944)1944: „Der Endsieg ist greifbar nahe gerückt!!“
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1944