es geben. Hier fällt die Entscheidung! Da
dabei sein dürfen! Der Endsieg ist greif
bar nahe gerückt!! Und er wird auf unserer
Seite sein!!!“
Nun erwachte wieder der Optimist
und vom „Endsieg“ überzeugte National
sozialist in Günther. „Unsere Führung
soll den Tommy nur etwas hineinlassen,
damit sie ordentlich den Arsch voll
gehauen bekommen“, tönte er nun und
fand zusehends zu alter Zuversicht zu
rück. Als er Mitte Juni erfuhr, dass ein
guter Freund aus der Arbeitsdienstzeit an
der Front ums Leben gekommen war,
wurde das mit einem kurzen „Ja, der
Krieg ist grausam“ abgetan, um im glei
chen Atemzug von einem „Gegenstück“
zu berichten, das sich ihm unmittelbar
zuvor in Celle präsentiert hatte und das
„einen jeden Zivilisten, wenn er nicht total
verbohrt ist, ergreifen“ müsse: „Ein Fan
farenzug zog durch die Straßen. Die
Schläge der Landsknechtstrommeln hall
ten dumpf, und hell schmetterten die
Fanfaren durch die Straßen. Unsere Ju
gend! Deutschlands Zukunft!!!“ Und als
er kurz darauf das HJ-Gebietssportfest in
Celle besuchte, bot sich ein ähnliches
Bild, das er ebenfalls euphorisch kom
mentierte: „Es kamen die Formationen
des Jungvolks und der HJ. Ein Erlebnis!
Wenn man die strahlenden, gläubigen
Augen der Pimpfe sah, ja, dann weiß
man wieder, wofür man kämpft. Das ist
die Zukunft. Die Führerschaft waren zu
88 Prozent verwundete, ausgezeichnete
Soldaten. Die einzig richtigen Erzieher
der Jugend. Deutschland! Mit solch einer
Jugend kannst du beruhigt in die Zu
kunft sehen!“
Günthers Glaube an „Führer, Volk
und Vaterland“ war – aus welchen kon
kreten Gründen auch immer – zurück
gekehrt. Vielleicht war es ganz einfach
Erleichterung darüber, dass es nun auf
eine Entscheidung zuging. So schloss er
beispielsweise, nachdem er am 25. Juni
die aktuelle Lage an den verschiedenen
Fronten durchaus realistisch rekapituliert
hatte, seinen Tagebucheintrag: „Der End
spurt hat angefangen!“
Wie in den Jahren zuvor nach größeren
Vorstößen der Wehrmacht oder ihm weg
weisend erscheinenden Reden Hitlers
wähnte sich Günther nun wieder als Zeuge
und Beteiligter historischer Umbrüche.
„Die Ereignisse überstürzen sich. Weltge
schichtliche Dinge geschehen“, kommen
tierte er etwa am 17. Juni die Nachricht,
dass mit der „V1“ kurz zuvor erstmals die
lang erwarteten „neuartigen Sprengkörper
schwersten Kalibers“ auf Südengland und
London abgefeuert worden seien. Nun, so
reproduzierte er die Aussagen der NS-
Propaganda, habe „die erste Phase der
Vergeltung mit einer neuen Waffe“ be
gonnen. Der angehende Offizier jubelte:
„England, deine Stunde hat geschlagen!!!
Jetzt dabei sein dürfen! Endlich wird all
das Elend, was der Feind bei uns verur
sacht, vergolten. Ich glaube, dass das
Kriegsende mit England greifbar nahe
liegt.“ Und abschließend die stets und na
hezu autosuggestiv wiederholte Formel:
„Der Sieg ist uns gewiss!!!“
Eine nüchterne Analyse der Kriegslage
fand in Günthers Denken nun keinen
Platz mehr. Jegliche negative Entwicklung
wurde positiv umgedeutet und Rück
schläge zu taktischem Kalkül stilisiert.
„In der militärischen Lage wird sich ja
bald manches ändern“, teilte er beispiels
weise seinem Vater im Juli mit. „Unsere
scheinbaren Niederlagen im Osten (Fall
von Lemberg, Brest, Dünaburg usw.), in
Italien oder das scheinbare Fehlen eines
Erfolges in Frankreich regt mich nicht
auf. Ich habe das Gefühl und zum Teil
auch die Gewissheit, dass neue, unge
ahnte Waffen die Lage von Grund auf
ändern werden. Mein Vertrauen zum
Führer war nie größer als im Augenblick.“
Das für Günther unantastbare taktisches
Genie Hitlers und die „Wunderwaffen“
wurden nun zu den Hauptankern seiner
durch jahrelange propagandistische Be
einflussung stabilisierten Zuversicht, die
dann nach dem 20. Juli noch um den
Faktor höherer Vorsehung wirkungsvoll
ergänzt wurde.
Als er die Meldung vom Attentat auf
Hitler gehört habe, sei er „erstarrt“: „Das
1944: „Der Endsieg ist greifbar nahe gerückt!!“
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