lich dabei“, entwickelte er eine vage Pers-
pektive. Aber auch was seine berufliche
Zukunft anging, war Günther auf der
Suche: „Was aus mir werden soll, ist mir
jetzt noch schleierhaft.“ An einem aller-
dings ließ er keinerlei Zweifel aufkom-
men: „Ich will Großes, Riesengroßes leis-
ten. Aber wie? Beim Militär ist die Mög-
lichkeit, aber ehe ich hier was bin, bin ich
alt. Ich will aber früh eine Familie grün-
den. Das Ganze macht mir oft Kopfzer-
brechen. Entweder ich erreiche wirklich
etwas oder ich werde eine verkrachte
Existenz, oder ich bin mit mir ewig unzu-
frieden. Ich will aber alles daransetzen,
dass ich etwas erreiche. Dazu helfe mir,
mein Gott!“
Aufgrund der Entwicklungen an den
Fronten kam während des Arbeitsdienstes
zunächst jedoch keinerlei Zweifel daran
auf, wo die nähere Zukunft liegen würde.
„Russland rückt näher“, notierte Günther
am 5. August und konstatierte zugleich
große Veränderungen seiner Persönlich-
keit: „Vier Wochen bin ich jetzt hier, und
was ist alles in der Zeit geschehen. Aus
einem Schuljungen wurde ein halber Sol-
dat, wenn er auch oft an die schöne alte
Zeit zurückdenkt.“ Beigetragen hatte zu
dieser in seinen Augen positiven Ent-
wicklung die offizielle Vereidigung vier
Tage zuvor. „Der 1.8. bedeutet für mich
einen großen Tag, denn heute wurde ich
auf meinen Führer vereidigt.“ Die Feier,
so fuhr Günther fort, habe ihn „tief beein-
druckt“: „Jetzt gehöre ich ganz und allein
nur noch dem Führer und Deutschland,
meinem Vaterland, für das ich mich ein-
setzen will.“
Die im Arbeitsdienst verfolgten Ab-
sichten und die dabei tatsächlich erziel-
ten Erfolge schätze er ebenso wie zuvor
bereits sein Bruder sehr realistisch ein.
Gustav hatte zu Beginn von Günthers
RAD-Zeit an Vater Toni geschrieben, dass
er glaube, diese würde seinem kleinen
Bruder ebenso „gut tun“ wie ihm selbst,
„denn der RAD hat mir bestimmt dazu
verholfen, die ganzen Strapazen in Russ-
land ohne Wimpernklimpern auszuhal-
ten“. Zwei Monate später schrieb dann
auch Günther vom Arbeitsdienst als „gu-
ter Vorschule für das Militär“: „Ich fasse
überhaupt den ganzen RAD als Vorschule
auf. Die Grundausbildung, der Gewehr-
dienst, das Marschieren und der Baustel-
lendienst, all das bereitet mich auf den
Kommiss vor und stählt mich.“
Bei allem Wandel, den Günther Roos
während seiner RAD-Zeit durchmachte,
blieb ein zentrales Motiv seines Denkens
und Handelns doch unverändert: das
Streben nach Macht. Dies brachte er am
Abend des 25. August, als er „hundemüde“
im Bett lag, zu Papier: „Ich habe aber das
Bewusstsein, ein gutes Tagewerk ver-
bracht zu haben im Dienst für Deutsch-
land. Ich ahne, dass Deutschland in mei-
nem Leben noch einmal eine Rolle spielen
wird, aber nicht aus Idealismus, sondern
damit ich zur Macht komme. Macht will
ich haben. Ich habe den Wunsch, dass
209
209 /
Günther Roos’ Entlassungs-
schein vom Reichsarbeits-
dienst in Kamperfehn vom
21. September 1942
1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
208