Kurz darauf ließen weitere Ereignisse
den zornigen Jugendlichen aber wohl
auch erahnen, dass der Kriegsverlauf auf
Dauer kaum eine Einbahnstraße deut-
scher Erfolge bleiben würde. So wurde
am 23. Mai über ein Vorkommnis berich-
tet, das den Tagebuchschreiber „leicht er-
schütterte“: „Deutschlands populärster
Held, der U-Boot Kommandant Prien, ist
nicht mehr zurückgekommen. Es ist ein-
fach schrecklich.“ Der Mythos der Unbe-
siegbarkeit Deutschlands bekam erste
feine Risse, die aber zunächst noch
schnell vom Glauben an die Genialität
des „Führers“ übertüncht werden konn-
ten. Er habe gerade, so notierte Günther
am Abend des 24. Mai, eine schier un-
glaubliche Nachricht gehört: „Deutsche
Truppen sind auf Kreta gelandet und
haben schon den westlichen Teil in ihrer
Hand. Das größte Schlachtschiff der Welt,
die ‚Hood‘ ist vom Kreuzer Bismarck ver-
senkt worden. Eine Nachricht fantasti-
scher als die andere. Eine Landung auf
Kreta! Die Hood! Kaum zu glauben.
Deutschland wird siegen!“ Als die „Bis-
marck“ ihrerseits drei Tage später ver-
senkt wurde, empfand er das zwar als
„schreckliche Nachricht“ und Rückschlag,
doch waren Günthers Machtfantasien zu
diesem Zeitpunkt bereits derart ausge-
prägt, dass Grenzen keine Rolle mehr
spielten, wie ein weiterer Eintrag vom
25. Mai eindrücklich dokumentiert: „Es
geht augenblicklich ein Gerücht um, un-
sere Truppen seien mit Einvernehmen
Russlands durch den Iran nach dem Irak
bzw. nach Indien marschiert. Adolf Hit-
ler erinnert einen lebhaft an Alexander
den Großen. Die Frage ist nur noch, ob
das wahr ist.“ In dieser Zeit, so erinnerte
er sich Jahrzehnte später, habe er begon-
nen, sich sogar über jeden weiteren deut-
schen Sieg zu ärgern, „weil er mir wieder
eine Chance raubte, für Deutschland
Heldenhaftes zu leisten“.
Mit seiner Begeisterung stand der
16-Jährige keineswegs allein, sondern
reihte sich in die große Schar deutscher
Jugendlicher ein, die in der Schule und /
oder zu Hause bunte Nadeln und Fähn-
chen in große Landkarten steckten, um
die jeweiligen Frontverläufe und damit –
zu jenem Zeitpunkt noch gleichbe
deutend – deutsche Siege zu markieren.
Bekannte Flieger wie Ernst Udet und
167 /
Die Brühler Bahnhofstraße 1–3
nach dem Bombenangriff vom
17. Juni 1941
168 /
Blick in die Klasse von
Günther Roos (vorn, 2. v. r.) am
Brühler Gymnasium, 1941
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1941: „Ein neues, starkes Volk wächst heran. Und ich bin dabei!“
1941