worden war – belohnt: Am 4. Oktober
1939 wurde Günther Roos zum „Horden-
führer“ ernannt, der untersten Führer-
stufe im Jungvolk. Damit, so erinnerte er
sich später, habe seine „glorreiche Karrie-
re im Jungvolk“ ihren Anfang genommen.
„Es begann mit meiner immer stärkeren
Identifikation mit dem Nationalsozialis-
mus und dem Gefühl, Macht zu besitzen
und diese auch gegenüber anderen aus-
üben zu können.“
Krieg mit Polen?
Günther war – wie bereits geschildert –
allein schon durch familiäre und schuli-
sche Beeinflussung auch vor 1939 mit einer
Affinität zum NS-Gedankengut aufge-
wachsen. Nun trafen aber zwei Entwick-
lungen aufeinander, die ihn endgültig zum
überzeugten Nationalsozialisten werden
ließen: Zum einen war dies der Beginn
seiner Führerkarriere im Jungvolk. Zum
anderen prägten ihn die „Erfolge“ der ag-
gressiven deutschen Außenpolitik: Nach
der Etablierung des „Großdeutschen Rei-
ches“ im Vorjahr überschritten deutsche
Truppen am 14. März 1939 die Grenze zur
Tschechoslowakei, die tags darauf durch
Proklamation Hitlers als „Protektorat
Böhmen und Mähren“ dem Reichsgebiet
einverleibt wurde.
„Heute vor zehn Jahren sind wir in un-
sere jetzige Wohnung eingezogen. In der
Tschechoslowakei marschieren die deut-
schen Truppen ein. Der Führer ist in
Prag. Haben morgens in der Schule die
Proklamation des Führers gehört. Habe
nachmittags Mundharmonika gespielt.
Bin danach auf der Post gewesen. Habe
abends Aufgaben gemacht. Heil Hitler!“
So lautete Günthers Tagebucheintrag für
den 15. März 1939. Er glaube, so kommen-
tierte er 50 Jahre später, die „letzten zwei
Worte“ würden seine damaligen Empfin-
dungen „mehr als deutlich“ wiedergeben.
„Der jahrhundertealte Traum von einem
Großdeutschland rückte greifbar nahe.
Der Kampfruf ‚Ein Volk, ein Reich, ein
Führer‘ wurde Wirklichkeit!“ Ein solches
Gefühl habe umso mehr Platz greifen
können, als die aggressive Aktion gegen
die Tschechoslowakei zuvor propagan-
distisch gut vorbereitet worden sei, „so-
dass uns ein Eingreifen des Führers
Die Sonderformationen der HJ
Neben der allgemeinen HJ konnten sich Jungen auch für den Dienst in einer von deren „Sonder-
formationen“ melden, während für Mädchen als Alternative allein die „Spielscharen“ blieben.
Die Wahlmöglichkeit bestand dabei zwischen Marine-HJ, Motor-HJ, Flieger-HJ, Nachrichten-HJ,
Reiter-HJ (bis 1939), Feldscher-HJ, Spielscharen der HJ (ab 1936) und HJ-Streifendienst (ab 1938).
In diesen Sondereinheiten erhielten die Jugendlichen eine Spezialausbildung, die auf die Ansprüche
der verschiedenen Waffengattungen der Wehrmacht abgestimmt war. Ab 1936 galten diese Sonder-
formationen dann auch offiziell als Nachwuchsorganisationen der Wehrmacht und wurden von
ihr ab 1938 finanziell und durch Heranziehen zu kleineren gemeinsamen Übungen unterstützt.
Es bestand allerdings kein Zwang, nach Abschluss der HJ-Ausbildung eine bestimmte Waffen
gattung zu wählen.
Der Dienst in den Sonderformationen wurde von vielen Jugendlichen als äußerst attraktiv empfun-
den, nicht zuletzt, weil er eine Alternative zum allgemeinen HJ-Dienst bot, der als eintönig galt.
Hier konnten sie interessegeleitet wählen und sich mit Dingen beschäftigen, zu denen ihnen
außerhalb der HJ vielfach die Möglichkeit fehlte, vor allem, wenn sie aus sozial schlechter gestellten
Schichten kamen.
1939: „Es lebe Deutschland!“
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