Das weitere Leben von Günther Roos entwickelte sich in vielen
Punkten so, wie er es Mitte 1948 erhofft hatte. Vom „Bauprakti
kanten“ avancierte er schnell zum Leiter von Großprojekten im
Straßenbau, wurde Betriebsleiter einer Außenstelle mit 150 Mit
arbeitern und stieg schließlich zum Handlungsbevollmäch
tigten der Westdeutschen Asphalt-Werke auf. „Also, ich habe
Karriere gemacht“, fasste er seinen beruflichen Weg im Jahr 2012
zusammen.
Die zunächst angestrebte und dann so sicher geglaubte Ehe
mit der geliebten Inge hingegen zerschlug sich, weil sie eine
Anstellung als Krankenschwester in Australien annahm, ein
Weg, den mitzugehen sich Günther Roos damals nicht in der
Lage sah, weil er seine Mutter, die ja bereits den Verlust ihres
Sohnes Gustav zu verkraften hatte, nicht allein lassen wollte. Er
fand jedoch eine neue Partnerin, heiratete und wurde Vater von
zwei Töchtern.
Politisch engagierte sich Günther Roos hingegen zeitlebens
nicht mehr. Bei allem Interesse am Zeitgeschehen saßen die
Wunden, die die Jahre zwischen 1933 und 1945 in dieser Bezie
hung bei ihm hinterlassen hatten, doch zu tief. Dagegen reiste
er viel und gern, wobei auch der Gedanke der Völkerverständi
gung zumindest im Hintergrund mitschwang. Auch das so tief
sitzende Gedankengut der NS-Rassenideologe verlor sich zu
sehends, und als eine seiner Töchter in den 1970er-Jahren dann
die Möglichkeit hatte, eine Brieffreundschaft mit einem farbi
gen britischen Mädchen einzugehen, ermunterte er sie dazu.
Aus diesem Briefkontakt erwuchs eine Familienfreundschaft.
Als Familie Roos nach England reiste und Günther Roos vom
Vater des Mädchens in dessen Club eingeladen wurde, traf er
dort auf einen gleichaltrigen Engländer, mit dem er ins Ge
spräch kam. Dabei stellte sich heraus, dass beide in der End
phase des Krieges am gleichen Frontabschnitt eingesetzt ge
wesen waren und theoretisch aufeinander hätten schießen
können. „What a foolish thing. Now we were friends“, habe sein
Gesprächspartner geäußert und ihn umarmt, erinnerte sich
Günther Roos.
Mit der Lektüre von
Im Westen nichts Neues
hatte er Mitte
1946 den schwierigen Weg zur schrittweise erfolgenden Los
lösung vom NS-Gedankengut angetreten. Heute wisse er, so
formulierte es Günther Roos 2012, dass Hitler ein „Massenmör
der“ gewesen sei. „Ein Verbrecher, ganz eindeutig ein Verbre
cher, der Millionen von Menschen sinnlos geopfert hat für eine
wahne Idee, dass wir nämlich ein ‚Volk ohne Raum‘ wären.“ Be
reits 1989 hatte er nach der Transkription und Bearbeitung sei
ner Tagebücher seine rückblickende Beurteilung der Dinge auf
den Punkt gebracht. Er habe nach Kriegsende, so schrieb er da
Nachklang
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