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Deutschland. Und wie will man die

Grenze ziehen zwischen Recht und Un-

recht? Das Recht ist eben beim Sieger.“

So suchte der 21-jährige Günther zu-

nächst Zuflucht beim damals geläufigen

Schlagwort der „Siegerjustiz“, um so

weiterhin einer kritischen Auseinander-

setzung mit seiner eigenen Vergangenheit

aus dem Weg gehen zu können. Auch von

seinem Vater Toni konnte er keine An­

stöße zur Aufarbeitung des Geschehenen

erwarten. Dieser konzentrierte sich im-

mer mehr auf eine stets angestrebte Kar-

riere als Maler, was angesichts seines sehr

überschaubaren Talents eher ein Hirn­

gespinst denn eine reale Option darstell-

te. Daneben ließ er sich – auch darin sich

treu bleibend – auf eher dubiose Geschäf-

te ein, von denen eine von Schwarzmarkt

und Schleichhandel geprägte Nach-

kriegswelt reichlich bereithielt. Er glaub-

te – wie sein Sohn mit einiger Erbitte-

rung noch 1948 feststellte –, „ohne Arbeit

Geld zu verdienen“. Eine neue Anstellung

sollte Toni Roos für den Rest seines bis

1963 währenden Lebens nicht mehr an-

streben. Ehefrau Elisabeth und insbeson-

dere Günther, die zunehmend genervt

auf das passive Verhalten des Vaters re-

agierten, waren daher weitgehend auf ei-

gene Initiativen angewiesen, um den Le-

bensunterhalt zu bestreiten. Gespräche

über die zurückliegenden Jahre, das be-

tonte Günther Roos auf Nachfrage später

immer wieder, habe es mit dem Vater je-

denfalls keine gegeben.

So musste er sich allein auf den müh-

samen Weg zur (Selbst-)Erkenntnis ma-

chen, ein Prozess, der zum Jahresende

1945 noch in den allerersten Anfängen

steckte. Immer noch und immer wieder

suchte Günther die Fixpunkte seines

Denkens in der Vergangenheit, wie etwa

am 17. Dezember: „Gestern war es nun

ein Jahr her, dass die große Ardennen­

offensive begann. Abgesehen davon, dass

es für mich als Offizier die Feuertaufe

war, ich verwundet wurde und fast über-

menschliche Anstrengungen mitmachte,

so war es doch die Tatsache, dass es zum

letzten Male vorwärtsging. Ich glaubte

fester denn je an unseren Sieg. Diese

Kraftanstrengung musste doch einfach

gelingen. Wie war ich voll Hoffnungen,

voll glühender Begeisterung und Idealis-

mus. Und heute? Ein Schüler, ein Zivilist.

Und unser stolzes Großdeutschland ein

Trümmerhaufen. Der Nationalsozialis-

mus, meine Welt, ein Nichts, eine Schan-

de.“ In derart orientierungsloser und fast

schon depressiver Stimmung verlebte

Günther auch das Weihnachtsfest, dem

im Hause Roos früher stets große Be­

deutung beigemessen worden war. Das

„Friedensfest“, wie er es im Tagebuch am

29. Dezember in Anführungszeichen mit

sarkastischer Intention bezeichnete, sei

nun vorüber. Ihm sei „keine Minute weih-

nachtlich zumute“ gewesen, wozu „die

ganzen Zeitumstände“ maßgeblich bei­

getragen hätten. „Unwillkürlich gingen

die Gedanken auch immer wieder an

Preischeid, eine glücklichere Zeit, zurück.

Wer mir damals die Zukunft voraus­

gesagt hätte, den hätte ich entweder aus-

gelacht oder erschossen. Ja, so fanatisch

war man.“

Unter solchen Prämissen überrascht es

kaum, dass Günthers gesamte Bilanz für

das Jahr 1945 ausgesprochen negativ aus-

fiel: „Was hat mir das Jahr gebracht? Ent-

täuschungen! Mit Recht kann das Jahr

1945 ‚Schicksalsjahr‘ heißen. Es brachte

mir als Offizier harte und schöne Ein­

sätze. Ich verlor die Heimat. Dann der

Zusammenbruch. Die Niederlage und die

unendlich harten Monate der Gefangen-

schaft. Und dann bei der Entlassung die

Enttäuschung in einer besiegten und

besetzten Heimat. Was mir eine ganze

Welt bedeutet hatte, das brach hier zu-

sammen. Hoffentlich bringt das neue

Jahr bessere Zeiten. Viel gefeiert haben

wir zu Hause nicht. Wir haben erzählt

und gelesen und plötzlich war leise und

unbemerkt das neue Jahr angebrochen.

Es lebe die Zukunft!“

1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“

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1945