Die Integration in die deutsche Nach-
kriegsgesellschaft fiel Günther Roos weiter-
hin schwer, und es sollte bis Mitte 1946
dauern, bis er in dieser Hinsicht erste
größere Fortschritte erzielen konnte. Zu-
nächst aber dominierte weiterhin sein
verklärender Blick auf die jüngste Vergan-
genheit, der sich auch nicht tief greifend
veränderte, nachdem er zum Jahresbeginn
1946 seine improvisierte „Bude“ zum be-
vorzugten Aufenthaltsort gewählt hatte,
um sich hier intensiv für das im Frühjahr
anstehende Abitur vorzubereiten. „So
werde ich mich hier in die Einsamkeit zu-
rückziehen. Etwas muss ich ja schon wohl
oder übel tun“, vermerkte er am 7. Januar
im Tagebuch. Kam es doch zu Berührun-
gen mit der Außenwelt, dann zeigte sich
Günther weiterhin als NS-Gläubiger, der
seine Position noch immer zäh verteidig-
te. Als eine gute Freundin und frühere
BDM-Führerin in näheren Kontakt zu
in Brühl stationierten britischen Besat-
zungssoldaten trat, ging auch Günther
einige Male zu diesen Treffen, „um einen
Klön mit den Tommys zu halten“. Dabei
blieben die Versuche, sich „politisch und
weltanschaulich zu verstehen“, aufgrund
seines unnachgiebigen rassenideologi-
schen Standpunkts ohne jeden Erfolg.
„Ich bin aber Nazi und kann nicht an ewi-
gen Frieden glauben. Ich glaube an die
Rassentheorie und an das Recht des Stär-
keren“, betonte er auch Ende Januar 1946
unentwegt weiter und blieb der Vergan-
genheit verhaftet: „Mein Schnurrbart ist
am 30.1. gefallen. Am 30. Januar. Früher
ein Gedenktag, die Gründung des Dritten
Reiches. Und jetzt? Chaos.“
Als sich der erbitterte Kampf um Jülich
am 24. Februar 1946 jährte, machte sich
Günther Roos auf den Weg dorthin, um
der dort ums Leben gekommenen deut-
schen Soldaten zu gedenken. Die Zukunft
beurteilte er weiterhin als „ultraschwarz“
und sah im Zuge des aufziehenden Kalten
Krieges im März in neuen kriegerischen
Konflikten erneut einen Ausweg aus seiner
Situation: „Ein Thema beherrscht alles.
Ein neuer Krieg. Krieg mit Russland.
Churchill sagte, dass lastende Schatten
eines neuen Krieges über der Welt liegen.“
Er persönlich würde einen solchen Krieg
„begrüßen“, da er ihn als „Vater aller Din-
ge“ geradezu „liebe“. Selbst wenn sein ge-
liebtes Deutschland zu dessen Schauplatz
würde, sah Günther hierin „vielleicht
eine letzte Chance für uns“. „Soll man
mitmachen, wenn man die Möglichkeit
hat?“, fragte er sich und kam zu dem
Schluss, dass er „als deutscher Offizier“
ausschließlich für Deutschland zur Waffe
greifen würde, nicht jedoch „für England
oder Amerika“. „Dunkel ist die Zukunft“,
schloss auch dieser Tagebucheintrag. „Ob
es Krieg gibt? Eine Auseinandersetzung
muss ja einfach nach meiner Meinung
kommen“, ergänzte Günther Roos einige
Tage später.
Trotz solcher Erwartungen konzent-
rierte Günther sich nun aber zunehmend
auf die Schule und das nach Ablegung
des Abiturs geplante Architekturstudium.
Aber auch hier gab es Hiobsbotschaften
zu verkraften und schwierige Situationen
zu bewältigen. Am 21. März zeigte er sich
„tief erschüttert“, denn er hatte gerade er-
fahren, dass sein Studium aufgrund neu-
Erste Nachkriegsjahre: „Mein Ziel ist der Aufbau einer Existenz.“
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Erste Nach-
kriegsjahre
Erste
Nachkriegsjahre