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die weltpolitische Lage Ende Oktober viel und intensiv disku-

tiert wurde: „Man spricht jetzt nur so viel von Krieg mit Russ-

land und tollste Gerüchte über neue Einberufungen gehen rund.“

Das ängstigte Günther offenbar in keiner Weise, sondern eröff-

nete ihm im Gegenteil eine mögliche Perspektive: „Ich bin sofort

mit dabei. Es wäre herrlich, wieder Soldat!“

Statt Uniform wartete auf ihn aber zunächst die Schulbank.

„Hurra, ich bin wieder Schuljunge!“, schrieb er sarkastisch ins

Tagebuch, nachdem er am 7. November erstmals wieder das alt-

vertraute Gymnasium betreten hatte: „Wenn es nicht so traurig

wäre, wäre es zum Piepsen.“ Besonders störte es Günther Roos,

dass der Aufnahme des Unterrichts eine Schulmesse vorausging.

„Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ich in der Kirche war.

Und es hat Nerven gekostet“, notierte er, um dann jenen Punkt

anzusprechen, der ihm völlig inakzeptabel erschien: „Als der

Gottesdienst gleich mit dem Lied begann ‚Herr, wir kommen

schuldbeladen‘, hätte ich schreien können. Ich fühle mich nicht

schuldbeladen!“ Nach wie vor, so Günthers Kritik, versuche

die katholische Kirche, „den Menschen eine Schuld einzureden

und sie vor der Hölle zu erschrecken“. So erziehe man vielleicht

„demütige Heilige, aber keine Männer, die für den schweren

Kampf auf der Erde geeignet“ seien. Und hier sah er nun – ganz

im alten Selbstverständnis eines Führers der Hitlerjugend – große

Gefahren für das künftige Deutschland heraufziehen: „Wann

wird man wieder einmal die Jugend zu Kämpfern und Männern

erziehen und nicht zu Duldern und Scheinheiligen mit anormalem

Sexualtrieb?!?“

Trotz – oder gerade wegen – des Schulbesuchs und der damit

verbundenen Regelmäßigkeit von Unterricht und Hausaufgaben

fiel es Günther weiterhin sehr schwer, ins zivile Leben zurück-

zufinden. Er fühle sich „todunglücklich“, heißt es unter dem

23. November im Tagebuch: „Ein in ruhigen Bahnen verlaufen-

des Leben ist nichts für mich, wenn es auch einmal in der Ge-

fangenschaft mein stilles Ideal war. Es klingt wahrscheinlich sehr

primanerhaft, wenn ich von fremden Ländern, von Abenteuern

oder gar von Krieg und Tod träume. Aber das fehlt in meinem

Leben. Ich vermisse eben das aufregende und bewegte Leben.

Wenn so manchmal die Engländer vor der Schule ihre Motoren

spielen lassen, dann möchte ich hinauseilen zum Stellungswechsel

und unten an der Tür in Uniform heraustreten und zum Kampf

wegfahren. Herrgott, das war doch noch Leben!“

Es blieb Günther jedoch nichts übrig, als sich in das von ihm

als „eintönig und monoton“ empfundene Leben in Brühl einzu-

fügen. Als Ventil diente ihm die Kommentierung von viel disku-

tierten Ereignissen, bei der er der Sicht der Alliierten und jener

des Großteils der deutschen Öffentlichkeit seine rückwärts­

gewandte Analyse entgegenstellte. Diese war nach wie vor von

Versatzstücken der NS-Propaganda geprägt, wobei es insbeson-

dere die jahrelange Indoktrination mittels Rassenideologie war,

die erhebliche Nachhaltigkeit und Langzeitwirkung entfaltet

hatte. Das wird besonders an der Einordnung des Gerichtsver-

1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“

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1945