mit frohem und dankbarem Herzen hin
auszieht, dem Vaterland zu dienen.“
Bevor der „Krieger“ Günther Roos
„ins Feld“ ziehen konnte, bezog seine Ein
heit allerdings „Ortsunterkunft“ bei Xanten
am Niederrhein, wo sie wiederum rund
fünf Wochen tatenlos ausharrte. Es mutet
eigenartig an, dass sich in Zeiten, in denen
ein nahezu unbewaffneter „Volkssturm“
mit alten Männern und halben Kindern
die deutschen Grenzen verteidigen sollte,
ein perfekt ausgebildeter und hochgerüs
teter Teil der schlagkräftigen Nebeltruppe
langweilte. Günther, der Kemme mit dem
festen Vorsatz verlassen hatte, „bis zum
Letzten meine heilige Pflicht zu erfüllen“,
äußerte nach drei Wochen am 21. Novem
ber in einem Brief an seine Mutter, er
„glaube fast, dass man uns total vergessen
hat“. Er sah sich vorwiegend in der Rolle
eines interessierten Zuschauers: „Drau
ßen ist es das schönste Schauspiel. Die
Flak schießt wie toll. Dazwischen zieht
die V2 ihre feurige Bahn. Jedes Mal ist es
wie eine Beruhigung für uns und eine
Mahnung für den Tommy.“ Seine Zuver
sicht blieb ungebrochen: „Genauso wie
V1 und V2 kommen, so wird auch unsere
Luftwaffe mit neuen, besseren Typen
kommen. Dann armer Tommy, wie wer
den wir dich jagen! Ihr könnt ganz beru
higt sein, bis nach Köln kommt er nicht
mehr. In einem Jahr ist Siegesfeier! Die
haben wir uns dann ja auch ehrlich
verdient!“
Den Glauben an den „Endsieg“ forderte
er nun auch nachdrücklich von seinen El
tern ein. „Ich weiß gar nicht, was mit
Euch los ist“, schrieb er am 28. November
nach Brühl. „Wenn man Eure Briefe liest,
könnte man fast meinen, der Krieg wäre
schon verloren. Verlasse Dich darauf, bald
kommt der Tag, an dem wir wieder in Paris
einmarschieren. Ihr müsst in der Heimat
nur Vertrauen auf den Führer und den
festen Glauben zum Sieg haben. Das An
dere machen wir Soldaten schon. Dies we
nige müssen wir aber von Euch schon er
warten, ja verlangen! Also, Kopf hoch!“
Besonders störte es den frischgebackenen
Offizier offenbar, dass er von Mutter
Elisabeth, aber auch von Vater Toni per
manent zur Vorsicht, ja – aus seiner Sicht
– gar zur Feigheit aufgefordert wurde:
„Dann gibst Du mir den ‚guten Rat‘, zwar
meine Pflicht zu tun; mich aber nicht
nach vorn zu drängen. Meine Pflicht werde
ich schon tun; und als Offizier ist es meine
Pflicht, auch nach vorn zu drängen, Vor
bild zu sein.“ Günther sah sich zu dieser
Zeit wieder ganz als „Führer und Vater
land“ verpflichteter Fels in der Brandung,
der einen Eid geschworen hatte, auf dem
„Feld der Ehre“ auszuharren. Eine solche
Einstellung erwartete er auch von seiner
Mutter, die ja immerhin bereits einen
Sohn verloren hatte: „Und um eins bitte
ich Dich: Mach Dir keine Sorgen um
mich! Froh und voll Stolz, einen Sohn
draußen zu haben, so will ich, dass an
mich gedacht wird, und nicht anders!“
Es ist wohl ein typisches Phänomen in
Zeiten des Krieges, dass markige, durchaus
ernst gemeinte Worte mit den Realitäten
des Soldatenalltags kollidieren. So auch im
Fall von Günther Roos. Er war in dem nie
derrheinischen Ort privat bei der Witwe
eines Wehrmachtssoldaten untergekom
men, über deren ausgeprägten Katholizis
mus er sich insbesondere gegenüber seinem
in dieser Hinsicht ja ihm gleichgesinnten
Vater lustig machte. Ob Kruzifixe und
Heiligenstatuen als äußere Symbole oder
strenge moralische Vorstellungen als inne
re Einstellung, deren Einhaltung von ihr
streng überwacht wurde: Seine Wirtin
erschien Günther als Zumutung – insbe
sondere, wenn er Freunde und Freundin
nen mit ins Haus brachte: „Dann setzten
wir uns gemütlich zusammen, tranken
etwas und klönten bei tollster Jazzmusik.
Draußen in der Küche saß Frau H., ent
rüstete sich über die unmoralische Jugend
und passte auf, dass nichts passierte.“
Aber dennoch sah sich Günther selbst
in Zeiten des nahenden Kriegsendes
weiterhin in seinen Augen überkomme
nen Verhaltensregeln verpflichtet. Nach
dem er im Nachbarort die nähere Be
kanntschaft eines Mädchens gemacht
hatte, galt es am 6. Dezember einen regel
rechten „Schlachtplan“ auszuhecken, wie
1944: „Der Endsieg ist greifbar nahe gerückt!!“
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