wartungen, so berichtete wiederum die
Brühler Zei-
tung
am 22. März, seien noch „bei weitem übertroffen“
worden: „Durch die in einzigartigem Fahnenschmuck
prangenden Straßen unserer Vaterstadt strömte am
Abend die Bevölkerung zum Marktplatz; immer neue
Gruppen ordneten sich mühelos zu einem gewaltigen
Zug. Die Vereine aller Art waren geschlossen zur Stel-
le; die katholische und evangelische Jugend nahm
zahlreich und begeistert an dem großen Ereignis teil“,
das Bürgermeister Freericks mit einem „Treuegelöb-
nis“ auf das neue Regime und insbesondere auf Adolf
Hitler beendete.
²⁰
Wer wollte angesichts solcher von
allen Seiten angefachter nationaler Begeisterung
noch abseitsstehen? Damit kann der „Tag von Pots-
dam“ auch mit Blick auf Brühl als gelungener propa-
gandistischer Coup des NS-Regimes bewertet werden,
der seine Wirkung insbesondere auf Jugendliche
kaum verfehlt haben dürfte.
Der im März 1933 in Gang gesetzte Prozess der
„Gleichschaltung“ verlief dann auch in Brühl wenig
überraschend insgesamt zügig und ohne größere
Widerstände. Die wenigen oppositionellen Stimmen
wurden schnell zum Schweigen und die Lokalpresse
auf Linie gebracht, Parteien und Gewerkschaften
verboten. Wie Bürgermeister und Stadtverordnete
zeigte sich auch die Mehrheit der Bevölkerung von
Auftreten, Propaganda und Versprechungen des neu-
en Regimes sichtlich beeindruckt. Nur zu gern
glaubte man nach den Jahren des wirtschaftlichen
und politischen Niedergangs an einen umfassenden Auf-
schwung, für den eben auch gewisse Einschränkungen in Kauf
zu nehmen waren. Solange solche Restriktionen die „anderen“
betrafen, sprach für den bei Weitem überwiegenden Teil der Be-
völkerung nichts dagegen, sich anzupassen und die Zukunft an-
gesichts der jüngsten Ereignisse positiv zu betrachten. „Des
Führers Parole: Arbeit, Ehre, Frieden“ prangte alsbald in großen
Lettern über dem Brühler Markt, ein Slogan, der wohl die Mei-
nung der meisten Einwohner widerspiegelte. 1933, so beschrieb
ein 1920 geborener Brühler Ende der 1980er-Jahre die damalige
Stimmungslage, habe zunächst einmal einen „Aufbruch“ darge-
stellt. Nach den unruhigen Krisenjahren sei „von heute auf mor-
gen“ wieder „Ordnung“ da gewesen. Er persönlich habe den
Umbruch als „Moment des Aufatmens“ erlebt, der eine neue
Perspektive vermittelt habe. Die Brühler seien sich sicher gewe-
sen: „Jetzt geht es aufwärts. Arbeit und Brot gibt es, Ordnung
kommt, Sauberkeit kommt, Nationalbewusstsein kommt wieder,
Stärke.“ Deshalb habe praktisch jeder euphorisch erwartet:
„Jetzt geht die Sonne auf!“ Das, so schloss er seine Schilderung,
habe selbst er damals empfunden, obwohl er „eigentlich ein
Gegner von denen“ gewesen sei.
²¹
Auch der damals achtjährige
Günther Roos erinnerte sich an die „unbeschreibliche Eupho-
14 /
Berichterstattung der
Brühler
Zeitung
über den „Tag von Potsdam“,
22. März 1933
14
Die Kleinstadt
22