zur Nebeltruppe. Also, es geht los. Noch
6 Tage Freiheit und dann bin ich Soldat.
Ich werde mich dort einsetzen und voll
meine Pflicht erfüllen, um möglichst bald
Offizier zu sein. Punkt, Schluss, aus.“ Da-
bei betrachtete er, noch immer auf der
Suche nach einer beruflichen Perspektive,
seine Lage durchaus auch unter sachlich-
strategischen Gesichtspunkten. Zwei
Tage vor seiner Abfahrt nach Bremen no-
tierte er: „Hier habe ich die beste Mög-
lichkeit, mein Ziel zu erreichen. Denn
was soll ich sonst für einen Beruf ergrei-
fen? Das Einzige wäre Architekt. Offen
gesagt, verspreche ich mir hiervon nicht
viel, denn gute Ideen habe ich selten und
andere kopieren? Bei der Wehrmacht
kann ich, wo jetzt Krieg ist, schon Haupt-
mann sein, wenn ich mein Studium gera-
de beendet habe. Ich werde mir also das
Leben beim Militär ansehen und mich
dann entscheiden.“
Nach dem neuerlichen Abschied aus
Brühl fand sich der in dieser Hinsicht im
Verlauf des Jahres 1942 ja bereits mit reich-
lich Routine ausgestattete 18-Jährige
schnell in seine neue Situation ein. „Jetzt
schreibt der Soldat Günther Roos“, heißt
es im Tagebuch, „und ich bin stolz darauf.“
Als ihm am Ende der ersten Wehrmachts-
woche sein Gewehr – „die Braut des Solda-
ten“, wie er stolz schrieb – ausgehändigt
wurde, war für ihn das Schlimmste bereits
überwunden: „Heute vor einer Woche! Ja,
jetzt habe ich mich wiedergefunden. Der
Dienst macht mir jetzt, wo die Jagerei so
langsam losgeht, Spaß. Der Trübsinn ist
weg. Gott sei Dank! Ich werde mich an-
strengen, dass ich KOB [Kriegsoffiziersbe-
werber] werde. Ich werde mich schon
durchfressen. Die Schleiferei hat ja auch
ihren Sinn. Man gewöhnt sich an Strapa-
zen und wird hart. Das kann mir be-
stimmt nichts schaden. Also, mit frischem
Mut ran an den Speck!!“ Das fiel Günther
umso leichter, als sein Stubenältester wie
er selbst auf eine aktive Zeit in der Hitler-
jugend zurückblicken konnte und sogar
das goldene „HJ-Leistungsabzeichen“ er-
worben hatte, wie er respektvoll im Tage-
buch festhielt. „So habe ich bei ihm eine
große Nummer“, was dazu führte, dass er
Günther zu seinem Stellvertreter ernann-
te: „Ich habe also die besten Vorausset-
zungen, meine Ziele zu erreichen.“
Ein besonders wichtiger Tag war für
ihn der 26. Oktober, in seinen Worten
„der höchste Feiertag in meiner Soldaten-
laufbahn, nämlich die Vereidigung auf
meinen Führer“. Stolz legte Günther die
Eidesformel in seinem Tagebuch nieder:
„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid,
dass ich dem Führer des deutschen Rei-
ches und Volkes, dem obersten Befehls-
haber der Wehrmacht, Adolf Hitler, unbe-
dingten Gehorsam leisten, und als tapfe-
rer Soldat jeder Zeit bereit sein will, für
diesen Eid mein Leben einzusetzen.“ Das
war für ihn nicht nur leicht dahingesagt,
sondern er empfand diesen Akt – wie
bereits bei der Vereidigung im Reichsar-
beitsdienst drei Monate zuvor – als abso-
lute und unauflösbare Verpflichtung: „Er
bindet mich für mein Leben“, fasste er
die Gefühle zusammen, die ihn bei der
„wirklich ergreifenden“ Zeremonie über-
kamen: „Deutschland, Führer, nun gehö-
re ich ganz euch, euch allein fürs ganze
Leben!“
In den Tagen und Wochen danach
richtete sich Günther Roos in sei-
nem neuen Leben ein, das ihm
immer besser gefiel. „Jetzt, wo die
Geländeausbildung und die Spe-
zialausbildung an den geheimnis-
vollen Werfern beginnen, macht
es erst recht Spaß. Du ahnst gar
nicht, was es für ein Gefühl ist,
an dieser neuen, geheimnisvollen
und so wirkungsvollen Waffe zu
dienen“, schrieb er an seinen Va-
ter. Zugleich legte er ein eigenes –
leider nicht erhaltenes – „Zapfen-
streichbuch“ an, in dem er seine
Gedanken niederlegen wollte. Hierzu
zählte nach wie vor die Suche nach „sei-
nem Gott“, über die er am 6. November
auch im Tagebuch „kurz meine Meinung“
äußerte: „Damals im RAD schrieb ich,
dass ich meinem persönlichen Gott mich
verpflichtet fühle.“ Offenbar hatte sich in
diesem Punkt durch den Eintritt in die
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1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“
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1942