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vor allem musste Günther den Verlust seines geliebten Bruders

Gustav verkraften. Wie der 18-Jährige auf die neuen Gegebenhei-

ten reagierte und durch wen er dabei in welcher Weise beeinflusst

wurde, gilt es ebenso nachzuzeichnen wie seine persönliche Lage

bei Kriegsende. Die totale Niederlage, der Verlust des so verehrten

„Führers“, dem er noch im April 1945 in Berlin beistehen wollte,

die Zeit in der Kriegsgefangenschaft und die ersten Neuorientie-

rungsversuche in Brühl – all das waren Geschehnisse, mit denen

sich Günther Roos in seinem Tagebuch auseinandersetzte. Nach

seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft „entdeckte“ er

einerseits Erich Maria Remarque, dessen Roman

Im Westen

nichts Neues

er als Erweckungserlebnis beschrieb, sah sich ande-

rerseits aber auch mit den eigenen tief sitzenden rassistischen

Ressentiments konfrontiert, die er trotz wachsender Erkenntnis

der unvorstellbaren Verbrechen des NS-Regimes nur schwer und

sehr langsam abbauen konnte. Auf ihn wartete nach 1945 – wie

bereits eingangs zitiert – ein „langer und schmerzlicher Weg“.

Diesen beschritt Günther Roos nach Phasen des Verdrängens

und Vergessens dann als Rentner in aller Konsequenz. Seine

aktive Rolle im NS-System schonungslos zu schildern, wurde

mehr und mehr zu seinem großen Anliegen. Hierbei wandelte

er schließlich auf jenen Pfaden, die Lew Kopelew ihm vorgege-

ben hatte. Und wie er jenen dafür bewunderte, so schlug dann

auch Günther Roos eine ähnliche Wertschätzung seitens jener

entgegen, denen er seine Geschichte unverblümt erzählte. „Be-

eindruckt“, so schrieben ihm die Schüler der Klasse 10a eines

Brühler Gymnasiums Anfang März 2009 nach einem

Unterrichtsbesuch, habe sie „Ihre Ehrlichkeit, Ihre

Aufrichtigkeit, Ihr Mut, offen dazu zu stehen, dass Sie

als junger Mensch Hitler verehrt haben“, um fortzu-

fahren:

„Ihr Vortrag hat Fragen beantwortet, auf die man in

Büchern keine Antworten findet: Sie haben uns den En-

thusiasmus eines Jugendlichen in dieser Zeit vermittelt,

von dem man heute kaum mehr spricht. […] Wie konn-

te es geschehen, dass jüdische Menschen entrechtet, ver-

folgt, verschleppt, vernichtet wurden? Sie haben uns er-

klärt, wie durch die Propaganda der Nazis und durch

Gleichgültigkeit niemand realisieren wollte, was ge-

schah. Sie haben – im Gegensatz zu vielen anderen –

dieses Kapitel der deutschen Geschichte nicht totge-

schwiegen, sondern sprechen offen darüber, gestehen

auch eigene Fehler ein. Dazu gehört Mut. Mutig ist es si-

cher auch, sich seinen Erinnerungen immer wieder zu stellen und

dadurch das Erlebte wieder aufleben zu lassen. […] Sie haben uns

gezeigt, wie leicht man als junger Mensch verführt werden kann.

Denn Sie waren in einem ähnlichen Alter wie wir. So sind Ihre Er-

lebnisse eine Warnung, die uns vielleicht aufmerksamer macht und

die uns wachsamer macht, politische Vorgänge zu beobachten und

zu beurteilen, damit niemals wieder Verbrechen, die auch nur an-

satzweise so schlimm sind, passieren. Ihr Besuch hat einen bleiben-

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In diesen Aktenordnern heftete

Günther Roos die Originaldokumente,

seine Transkriptionen der Tagebücher

und Briefe sowie seine Kommentierun-

gen und Erinnerungen ab.

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Einleitung

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