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Dieser beließ es im Anschluss an dieses Forschungsprojekt

aber nicht dabei, sondern begann damit, das kleine Familien­

archiv zu sichten, zu sortieren und die darin enthaltenen Selbst-

zeugnisse in Form von Tagebüchern und Briefen wortgetreu zu

transkribieren. Die Arbeit fiel ihm, je weiter er zeitlich fort-

schritt, nach eigener Aussage nicht immer leicht,

denn mit dem Abstand von mehr als 40 Jahren war er

häufig über das erschrocken, was er damals selbst zu

Papier gebracht hatte. Aber trotz aller Bedenken

konnte er sich letztlich zu einem – wie er es nannte –

„seelischen Striptease“ durchringen, der einen

Glücksfall für die historisch interessierte Nachwelt

darstellen dürfte. Er verzichtete auf jede Kürzung

oder Verfälschung seiner Unterlagen, was ihm insbe-

sondere für seine Tagebucheintragungen der Jahre

1941/42 besonders schwerfiel. Aber die einmal gefällte

Entscheidung hatte Bestand: „Indem ich alles so wie-

dergegeben habe, wie ich es damals aufgeschrieben

habe, wollte ich die Authentizität bewahren. Ich glaube,

dass so viel deutlicher wird, wie ein junger Mensch in

einer Diktatur für deren Ziele eingespannt und auch

korrumpiert wird.“

Damit beschritt Günther Roos – glücklicherweise –

einen anderen Weg als die meisten seiner ebenfalls

Tagebuch führenden Altersgenossen, die sich im Nach-

kriegsdeutschland nicht oder oft nur mit erheblichen

Abstrichen zu einer Veröffentlichung ihrer Aufzeich-

nungen durchringen konnten. Die nach 1945 bekannt

gewordenen Verbrechen des NS-Regimes warfen immer

wieder neue und lauter werdende Fragen nach der per-

sönlichen Beteiligung und Schuld Einzelner auf, was

dazu führte, dass die jeweiligen Autoren mehr als bei Tagebüchern

aus anderen Zeitabschnitten dazu tendierten, als kompromittie-

rend empfundene Abschnitte ihrer Eintragungen vor einer Publi-

kation zu verändern oder gleich völlig zu streichen. So konnte

etwa ein weitgehend an den NS-Alltag angepasstes Leben schnell

zu einem angeblich NS-resistenten oder gar widerständigen Leben

mutieren, was dazu beitrug, das Vertrauen in die gesamte Quellen­

gattung „Tagebuch“ erheblich zu beeinträchtigen. Das ist umso be-

dauerlicher, als solche Selbstzeugnisse in ungekürzter und unver-

fälschter Form eine ausgezeichnete, ja vielleicht die bestverfügba-

re Grundlage dafür bieten, um Fragen nach innerer Anteilnahme

und Beteiligung von Menschen am Nationalsozialismus nachge-

hen zu können.

Die Historikerin Susanne zur Nieden etwa resümiert: „Tage-

buchaufzeichnungen ermöglichen einen Blick auf Gefühls- und

Gedankenwelten, an die sich diejenigen, die diese Zeit erlebten,

seither selbst nur schwer erinnern können und wollen. Die Ver-

flechtung von Politik und Alltag, Öffentlichem und Privatem,

Eigensinn und Geschichte können in den autobiographischen Tex-

ten dieser Jahre studiert werden.“

¹⁰

Damit wird unverfälschten

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Günther Roos mit seinen Tage-

büchern im November 2008

3

Einleitung

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